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^BUNTES UND FROHES**
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Der Geist im Weinfaß
Zitternd, fast ohne Atem, trat der Kellermeister
in das Zimmer des Grafen von Andlau.
Euer Gnaden, stammelte er ängstlich, im Keller,
da spuckt es gewaltig. Es wirft unter den Fässern
umher, rasselt mit Ketten, brüllt wie ein Bär und
zuweilen guckt ein fürchterlicher Kopf mit flammenden
Augen hervor. Ich getraue mich nicht
mehr hinunter zu gehen.
Hasenfuß! erwiderte der Graf, so komm, ich
gehe mit dir, und will dich überzeugen, daß du
eben so albern als furchtsam bist.
Der Graf, ein mutiger Mann, stieg mit dem
Kellermeister in den Keller hinab, durchsuchte alle
Winkel, forderte laut das Gespenst auf, sich zu
zeigen, und da kein Geist erscheinen wollte, verließ
er lächelnd das Gewölbe.
Aber der Geist, der vermutlich seine Ursache
hatte, sich stille zu verhalten, wenn neugierige
Spötter sich von seinem Dasein überzeugen wollten
, trieb sein Wesen mit verdoppelter Stärke,
wenn sich niemand im Keller befand. Wirklich
brachte er es so weit, daß der Kellermeister, ohne
Begleitung nicht mehr den Mut hatte, für die Tafel
des Grafen Wein herauf zu holen.
Der Graf war indessen nicht der einzige im
Hause, der an des Geistes Dasein zweifelte; der
alte Hans, des Grafen Hausknecht, der meistens
im obern Stock illuminiert zu sein pflegte, lachte
von Herzen über seine furchtsamen Hausgenossen,
schimpfte auf den Geist und gewann manche
Wette, die man anstellte, um seinen prahlerischen-
Mut auf die Probe zu stellen.
Der Geisterspuck dauerte ungefähr schon ein
halbes Jahr, als der Graf von einem seiner Freunde,
dem Hauptmann von, W. besucht wurde. Wie es
nun zu gehen pflegt, daß man im Gespräch verschiedene
Gegenstände berührt, so traf es sich
auch, daß der Graf sich der Spuckgeschichte in
seinem Keller erinnerte und einige seiner Bedienten
herbeirief, welche die immerwährende Fortdauer
derselben bestätigten.
Der Hauptmann, auch ein ausgemachter Freigeist
, wollte sich davon selbst überzeugen, und
man trat gemeinsam den Marsch in den Keller an,
um eine neue Durchsuchung vorzunehmen. Das
Gespenst hatte sich eben vor einer halben Stunde,
wie der Kellermeister versicherte, hören lassen,
daher hoffte man, es noch anzutreffen.
Als man der Kellertüre ganz nahe kam, vernahm
man deutlich ein entferntes Brausen. Ein Zittern,
ein Beben befiel die ganze Gesellschaft, nur der
Hauptmann und der Graf öffneten mutig die Kellertüre
und traten, jeder ein brennendes Licht in
derNHand, in denselben ein. Langsam näherte man
sich der Gegend, woher das Geräusch ertönte.
Dasselbe kam aus einem großen Weinfaß und
setzte alle Anwesenden in ein nicht geringes Erstaunen
.
Und wenn es der Teufel ist, so muß er heraus,
rief der Hauptmann, indem er mit einem Stock an
das Faß schlug.
He, he! was gibt's? rief das Gespenst aus dem
Fasse, und die Bedienten schrien halb verwundert,
halb lachend: «Ei, der alte Hans, der alte Hans!»
Sie hatten ihn an der Stimme erkannt.
Man zog ihn hervor, da er aber sehr betrunken
war, kaum auf den Füssen stehen und nur stammeln
konnte, so trug man ihn in sein Zimmer, wo
man ihn ausschlafen ließ und des andern Tags eine
aufrichtige Erklärung forderte, warum er diesen
Geisterbetrug angestellt hatte.
Der arme Geist war ein Liebhaber von gutem
Wein, und da er nicht das Vermögen besaß, sich
solchen redlich zu verschaffen, so verfiel er auf
eine Spekulation, die ihm auch glückte. Nachdem
er sich einen zweiten Kellerschlüssel verschafft,
veranstaltete er daselbst das geistermäßige Gerassel
und Gepolter, stellte einen ausgehöhlten Kürbis
, in der Form eines Totenkopfes, auf eines der
hinteren Fässer, und nachdem der Kellermeister
diesen erblickt hatte, verwarf er dieses Geistersymbol
, das ihn bei einem Mutigeren hätte verraten
können, und begnügte sich mit Poltern, Brummen
und Kettengerassel. Im Fall, daß je eine
Untersuchung zu befürchten war, versteckte er
sich in ein großes Weinfaß, von welchem er den
einen Boden ausschlug. Unglücklicherweise war er
diesmal eingeschlafen und hatte sich durch sein
Schnarchen verraten.
Der Graf verzieh ihm, seiner wohl ausgesuchten
List wegen, und seit dieser Zeit hatte die Gespenstergeschichte
ein Ende.
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