http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/metzger1914/0080
62
II. Untersuchung des Inhalts unserer Hss F und D.
und in musterhafter Weise den Stand der Frage zusammenfassen und
wertvolle Ausblicke geben, aber abschließend oder völlig befriedigend
gerade in der Beweisführung ist sie nicht. Und doch läßt sich eine
Einzelfrage gar nicht vom Ganzen ablösen, und in unserem speziellen
Fall ist es unmöglich, den Ordinationsritus in der Gestalt der uns vorliegenden
Hss zu würdigen, ohne wenigstens in der Hauptsache diese
Vorfragen beantwortet zu haben. Wir werden im folgenden versuchen,
wenigstens im allgemeinen eine Sichtung des liturgischen Materials in
Hinsicht auf die Ordinationen vorzunehmen.
Gehen wir vom Gregorianum als dem uns zunächst liegenden
Typus des Sakramentars aus. Dasselbe ist uns nur in der Form
erhalten, die ihm Alcuin gegeben durch Beifügung von Formularien,
die bis dahin in der fränkischen Kirche im Brauch waren; es sind
dies, wie eine Vergleichung uns lehrt, vorwiegend gelasianisch-galli-
kanische.
In der Vorrede, worin Alcuin über seine Kompilationsarbeit Aufschluß
gibt, finden wir auch den hier für uns bemerkenswerten Satz 1 :
„Addidimus etiam ... et illud quod in praefato Codice beati Gregorii
ad gradus inferiores in ecclesia constituendos non habetur." Alcuin
behauptet also, daß in dem Gregorianum, das Karl d. Gr. von Rom
erhalten hat, sich keine Formularien für die niederen Weihen fanden,
wohl aber — das ist offenbar vorausgesetzt — solche für die höheren
Weihen. Was dabei unter höheren Weihen zu verstehen ist, bleibe
einstweilen dahingestellt.
Schon lange hat man es als eine auffallende Tatsache angesehen
und hat sich nach den Gründen gefragt, warum im Gregorianum die
niederen Weihen nicht verzeichnet gewesen sein sollten. Denn in den
beutigen Hss des Gelasianums finden sich dieselben zusammen mit den
Formularien für die höheren Weihen2. Und es ist doch von vornherein
gar. nicht einzusehen, warum das Gregorianum die im Gelasianum vorhandenen
Formulare für die niederen Weihen hätte weglassen sollen.
Von den hierfür geltend gemachten Gründen soll vorläufig noch nicht
die Rede sein.
Tatsache ist nun, daß die Hss des Gregorianums die Formulare
für die niederen Weihen in dem Teil, den sie als ursprüngliches Gregorianum
ausgeben, nicht aufweisen. Wir werden uns im folgenden
1 Bei Muratori II 271.
2 D. h. wenigstens mit den Rubriken für alle Weihen und dem Formular der
Subdiakonatsweihe. Ausgabe von Wilson p. 144ff.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/metzger1914/0080