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II. Untersuchung des Inhalts unserer Hss F und D.
Konnte Gregor d. Gr.1 einen Grund haben, die Formulare für die
niederen Weihen, die im Gelasianum sich vorfanden, in seiner neuen
Zusammenstellung der liturgischen Formulare auszuschließen? — Ja
fand sich auch wirklich im Gelasianum der Ordo der niederen
Weihen? Die Frage ist zu verneinen.
Das Leonianum, zwar eine Privatarbeit, aber doch den Stand der
römischen Liturgie einige Jahrzehnte vor Gelasius ziemlich getreu
widerspiegelnd2, enthält genau wie das eigentliche Gregorianum nur
Formularien für die W'eihe des Bischofs, Diakons und Presbyters3. Das
zwischen beiden liegende Gelasianum sollte die Formulare für die
niederen Weihen dagegen gehabt haben? Das ist wohl von vornherein
schon recht unwahrscheinlich.
Doch blicken wir selbst ins Gelasianum hinein! Wir finden hier
in der Quadragesima4 einen „Ordo, qualiter in Romana sedis apostolicae
ecclesia presbyteri, diaconi vel subdiaconi eligendi sunt". Nach einer
Einleitung über die Zeit der Weihen folgt zweimal die Anrufung des
Bischofs „Auxiliante Domino Deo nostro et Salvatore nostro Jesu
Christo", darauf das „ elegimus in ordine diaconii sive presbyteri. . . ",
und gleich hier sehen wir im Gegensatz zur Uberschrift, daß es sich
gar nicht um die Weihe des Presbyters, Diakons und Subdiakons,
sondern nur um die der beiden ersteren handelt. Schon das ist sehr
auffallend.
Es folgt aber nun tatsächlich nur ein Formular ad ordinandos pres-
1 Wir werden trotz Duchesnes Gegenaufstellungen und der neuen Theorie
Buchwalds in Weidenauer Studien II (1908) auf gute Gründe hin daran festhalten
, daß Gelasius ein Sakramental- zusammenstellte, das von Gregor d. Gr. neugeordnet
wurde. Das Gelasianum, das aus drei Büchern bestand, finden wir —
freilich nur im Kern — in den Hss vor, die unter diesem Namen gehen, das Gregorianum
mit einigen Zusätzen aus der Zeit zwischen Gregor und Hadrian ist der
liturgische Typus, den Muratori bietet. Freilich werden wir im Verlauf unserer
Untersuchung noch darauf zurückkommen, daß das „Gelasianum", wie es uns vorliegt,
nicht das ursprüngliche, sondern ein sehr stark gallikanisch durchwehtes ist. Diese
letztere viel übersehene Tatsache ist schuld an dem u. E. ganz verfehlten neuen
Theorien über das Gelasianum.
2 Selbst wenn Buchwald 1. c. damit recht hätte, daß einige Messen im Juli
und August sich auf die Belagerung Roms durch Vitigis 537/8 beziehen, würde, Avie
wir glauben, diese allgemeine Einschätzung nicht wesentlich verschoben werden.
Übrigens kommt M. Rule, The Leonian Sacramentary im Journal of theolog. Studies
1908, also zur selben Zeit, zu ganz andern Resultaten, indem er die einzelnen Teile
unter vier Päpsten des 5. Jahrhunderts entstehen läßt.
3 Le p. 119 ff.
4 Gel p. 23.
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