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Markgräfler Jahrbuch
4.1962
Seite: 88
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gut sein." — „Daß wir an der Grenze teurer leben, auch hier Schweizer Preise
zahlen, das läßt man zu; die kleine Kompensation dafür gönnt man uns nicht." —
„Die Finanzen sanieren? — Ja, die Schweizer vor den Kopf stoßen! Sie ergreifen
Repressalien, und es bleibt dahinter, was davor." — „Mit der rechten Hand unterzeichnet
man in Paris den ,Schuman-Planc, tönt pathetisch von einem ,neuen
Europa', und mit der Linken verbaut man die Grenze mit neuen chinesischen Zollmauern
." — „Vor einem Prinzen wird selbst die hohe Justiz snobistisch und läßt
ihn 1500 gute Mark pro Tag absitzen. Kein schlechtes Geschäft! Mit den Pfennigen
der kleinen Grenzgänger ist man kleinlicher." —

Als die Aufregung sich dermaßten entladen hatte, ergriff der Herr Vikar das
Wort: „Meine Damen und Herren, ich bin erschüttert. So das geschieht am grünen
Holz, — ich wollte sagen: Wenn solche Türme moralischer und staatsbürgerlicher
Standfestigkeit umfallen: was für ein widerspenstiges und rebellisches Volk müssen
wir schon geworden sein! Wie muß —" Aber der Vertreter der Exportfirma schnitt
dem geistlichen Herrn das Wort ab: „Ich beglückwünsche Sie, Herr Professor, zu
Ihrem Glaubenswechsel. Sie wissen, ich stehe schon lange auf dieser Seite und tue,
was ich kann. Wenn man, wie ich, in Europa herumkommt, wird man von selber
so." — „Ach", wehrte der Professor ab, „bei mir wird es ein akademisches Geschäft
bleiben, und ich würde gewiß beim ersten praktischen Versuch schmählich
scheitern; schon weil ich im Grunde überzeugt bleibe, daß es vernünftig und anständig
ist, die Gesetze zu befolgen und sich der Staatsautorität zu fügen. Aber
ich sehe eine neue Ordnung und eine neue Autorität kommen, die unsre Hingabe,
vielleicht auch Opfer, verlangen. — Zum erfolgreichen Schmuggeln gehört indes
eine andere, eine eigene Begabung, und nach meinen Erfahrungen" — der Sprecher
wandte sich hier lächelnd der hübschen Privatsekretärin zu — „erfreut sich
das schöne Geschlecht in dieser Branche besonderer Talente, oder Chancen, — wenigstens
solange Männer am Zoll sitzen." — „O, Herr Professor", und sie blinzelte
belustigt zurück, — „nicht nur Ihre Grundsätze, auch Ihre Komplimente
werden fragwürdig." — „Wie heute unsre ganze Existenz", ergänzte er philosophisch
, — „doch werden wir nicht feierlich! Ich möchte Ihnen vielmehr, wenn es
Sie nicht langweilt, zu meiner Behauptung von der weiblichen Überlegenheit ein
Erlebnis erzählen", und als die ganze Tafelrunde ihn lebhaft dazu ermunterte,
fing er an:

„Es war in den Jahren der Weimarer Republik, da wohnte bei meinen Eltern
eine Cousine aus dem Innern des Landes, die durch Vermittlung meines Vaters
eine Hauslehrerinnenstelle in Basel angenommen hatte. Sie war ein hübsches, charmantes
Mädel, 2 Jahre jünger als ich, und nur die unumstößlichen Familiengesetze,
daß bei so naher Verwandschaft von erotischen Beziehungen oder gar Ehe nicht
die Rede sein könne, verhinderten, daß ich mich heftig in sie verliebte, und es
zwischen uns nur zu den üblichen verwandtschaftlichen Küssen kam." — „Wovon
wir alle völlig überzeugt sind, Herr Professor", neckte die Privatsekretärin. —
„Ich machte jedoch", erzählte er weiter, „in den Semesterferien fleißig und stolz
ihren Ritter. Schön Erna war also Grenzgängerin geworden und hatte, wie die
meisten gut erzogenen Anfängerinnen, vor der Zollkontrolle einen heiligen Respekt
. Und den Zöllnern erschien ihre große Handtasche, prallvoll von Büchern,
einer Handarbeit, Strickjacke oder sonstigen Utensilien, anfangs recht verdächtig,
und sie stöberten darin wiederholt das unterste zu oberst. Aber bald stand für sie

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