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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1951-01/0024
gar nichts. Wen interessiert es schon, daß einige Arten nur auf den Weiß jurafeisen
vom Klotzen bis nach Kleinkems gedeihen und sich erst seit neuester Zeit entschlossen
haben, in die trockenen Rheinauen hinabzusteigen. Weshalb so spät?
Lächerliche Frage! Aus Platzmangel natürlich. Da hat der höfliche Rhein sich
ihrer erbarmt, seine Wasser ins Elsaß hinüber beordert und durch Absenkung
des Grundwasserspiegels eine so entzückende Trockenlandschaft entstehen lassen,
daß diese Felsenpflanzen dort unten jetzt ein wahres Wohlleben führen können,
was ihnen früher gar nicht möglich war. Etwaige Zweifler — o gäb es doch
welche! — schicken Sie zur Nachprüfung ins dortige Gelände. Wutschnaubend
werden diese Ihnen dann zuschreien, daß es dort unten gar keiner Naturschutzmaßnahmen
bedürfe, da die dichten Sanddornbüsche das ganz von selbst besorgten
, wofür zerstochene Nasen, blutig gekratzte Backen, zerrissene Aermel
und Hosen sowie geschundene Hände überzeugende Beweise seien. Heucheln
Sie ein bezähmendes Lächeln, trösten Sie die Erbosten mit der traurigen Versicherung
, daß solch eindringliche Forscherarbeit von der gütigen Natur nun mal
so belohnt werde.

Es ist also schon besser, wenn Sie geheimnisvoll andeuten, daß seit neuestem
auf dem Klotzen zarte Schwarzwurzeln und Zuckerrüben angebaut werden würden
. Begründung:

Die wiederholten Sprengungen haben von dem ehemals 50 m breiten Rücken
zwar nur einen schmalen Grat von 7 Meter Breite an der Basis und 2 Meter
an der Spitze übrig gelassen. Dafür ist der Fels so zerrissen worden, daß eine
Menge Spalten und Klüfte entstanden sind, also eine geradezu ideale Anbaufläche
für tiefgründiges Wurzelgemüse. Infolge des Dickenwachstums der Rüben
werden die Spalten weiter verbreitet. Regen und Spaltenfrost tun das ihrige
dazu, um den Rest des Sporns ohne Knall und Feuerwerk, also ganz kalt umzulegen
.

Ferner verkündigen Sie den Nächstsitzenden so leise, daß die ganze Stube
aufmerksam wird: Durch solche Maßnahmen seien die schönen Korallen aus
ihrem millionenjährigen Schlaf im weißen Schlamm des Jurameeres wieder zum
Auswachsen gekommen und wie die nach Luft japsenden Austern leicht zu
fischen. Hierauf wird sofort eine Schar tatenfroher Eingeborener sich mit Pickel
und Spaten bewaffnen und Ihnen, dem modernen Rattenfänger, eiligst zum nördlichen
Tunnel folgen. Zweckmäßigerweise richten Sie es so ein, daß Sie nach Ablauf
einer eigens vom Wetterfrosch bestellten sonnigen Woche an einem wolkenlosen
Mai- oder Junitag zwischen 14 und 15 Uhr die dortige Steilwand hinaufkraxeln
. Sie natürlich voran und ohne Rücksicht darauf, was evtl. den Schwindlern
hinter Ihrem werten Rücken passiert. Oben am sanft geneigten, baumlosen
Hang angekommen, werden die vor Wut kochenden Ueberlebenden
Ihnen auch ohne Ablesen Ihres Bodenthermometers mit schrecklichen Flüchen
der Verwünschung beteuern, daß der vor Hitze flimmernde Fels -f- 72° bis 75°
aufweist.

Erst jetzt haben Sie bei Ihren beutegierigen Vegetariern die richtige Gemütsverfassung
zu gedeihlicher Arbeit erreicht. Die namenlos Enttäuschten
werden sich, wild geworden, auf die blühende Pracht der Felsflurvegetation
stürzen und die reichen Bestände der ausgeprägten Mittelmeerflora wegrasieren.
Warum auch nicht? Sie erreichen damit einen doppelten Zweck:

Einmal wird Platz für den Anbau von zollfreiem Kaffee, Tee und Kakao
geschaffen (heiß genug ist's ja heroben), und dadurch der blühende Schmuggel
geschädigt. Zwar werden dadurch Grenzbeamte brotlos; dafür Schwarzhändler
vor Neid grüner als die filzige Grauflora zu Ihren Füßen. Klage wegen einge-

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