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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1955-01/0010
gehörte, der Hirte die Taglöhnerin, der Knecht die Spinnerin oder Näherin;
Knecht und Magd heirateten auch vielfach einander, um als Ehepaar im selben
Hause weiter zu dienen. Dabei war der Verbrauch an Frauen ein überaus
starker, die Geburtenzahl eine sehr hohe. Sehr häufig starben junge Frauen
Ende der 20er oder Anfang der 30er Jahre dahin, wohl meist an Kindbettfieber
, ein Trüpplein Kinder zurücklassend. Goldene Hochzeiten werden als
große Merkwürdigkeiten erwähnt; geistliche und weltliche Obrigkeiten nahmen
an ihrer Feier teil. Dreimalige Ehen waren keine Seltenheit. Meist waren die
Überlebenden die Männer. Die stete Unsicherheit der langen Kriegs- und
Seuchenzeiten und die harten Entbehrungen erzeugten andererseits wieder einen
verzweifelten Hunger nach Lebensgenuß, der die Grenze von, Sitte, kirchlichem
und weltlichem Gebot vielfach überschritt. So fanden auch das bescholtene
Mädchen und der bescholtene junge Mann noch ihr Ehegespons unter Einheimischen
und Zugewanderten, zumal der Altersunterschied keine große Rolle
spielte. Die allgemeine Verwirrung und der dadurch bedingte Mangel einer
genau geführten Registratur bei den kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten
machte in einzelnen Fällen die Bigamie möglich. Böswilliges Verlassen war
nicht selten. Sowohl der ledige Vater des noch ungeborenen Kindes als auch
der geplagte oder verzweifelnde Ehemarm fanden das Allheilmittel im Aufsuchen
des nächsten Werbers und im Entlaufen in den Kriegsdienst, sei es
bei durlachischen Truppen oder bei kaiserlichen, preußischen, holländischen
oder französischen Regimentern.

In rechtlicher Hinsicht ließen sich die Einwanderer zunächst als Hintersassen
nieder. Sie entrichteten eine bestimmte aber geringe Summe Geldes
und genossen dafür den Schutz des Landesfürsten. Vermutlich sind sie alle
ohne Ausnahme nach Jahr und Tag in das Verhältnis der Leibeigenschaft getreten
, das ja im badischen Markgräflerlande nichts Drückendes an sich hatte,
sondern sich lediglich erschöpfte in der jährlichen. Entrichtung des Leibhuhns
und in der Bezahlung eines Loskaufgeldes bei Auswanderung. Nach kürzerer
oder längerer Dauer rückten sie als Bürger auf und wurden damit ihrer Wahlheimat
als endgültige Staatsbürger eingefügt, bekleideten dann auch bald
öffentliche Ämter, meist als Richter (Gemeinderäte) in der weltlichen Gemeindeverwaltung
.

Die kirchliche Eingliederung stieß zum Teil auf erhebliche Schwierigkeiten.
Was hereinkam und nicht gerade der Täufergemeinschaft angehörte, war reformierten
Bekenntnisses. In Baden-Durlach aber und also auch im Markgräfler-
land herrschte die lutherische Richtung. Das Verhalten der Zugewanderten
zum badischen Landesbekenntnis ist ein ganz unterschiedliches. Im Durchschnitt
verläuft der Prozeß so, — bei Einheiraten immer — daß der Übertritt erfolgt.
Das geschieht durch vorherigen mehrfachen Besuch des lutherischen Gottesdienstes
, durch vorausgehende kurze Unterweisung über die Glaubensgrundlage
und vollendet sich schließlich mit der Teilnahme am Abendmahl nach lutherischer
Form. Der Inhalt der beiden Fassungen „Das ist" und „Das bedeutet"
steht im Angelpunkt der „Bekehrung". Die Folge war ein ehrliches und feierliches
Begräbnis im Todesfall. Andere warteten mit der Bekehrung, bis sie
ihr letztes Stündlein herannahen fühlten. Wieder andere — und ihre Zahl ist
nicht klein — verharrten in ihrem hergebrachten Glauben bis ans Ende, selbst
auf die Gefahr hin, ein wenig feierliches Begräbnis zu erhalten. Es
traten aber auch Fälle auf, wo ein Ubermaß körperlicher und seelischer
Leiden — mit den Augen des amtierenden Pfarrers gesehen — zu völliger
Herzensverhärtung und erregter Ablehnung jeglichen geistlichen Zuspruchs
geführt hatte.

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