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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1956-01/0042
hat er auf die Absendung einer weiteren Eingabe verzichtet. Man wird sich
nunmehr Hebels Überraschung ausmalen können, als nicht ihm, sondern
Ferdinand Zandt die Stelle des Prorektors zufiel. Dieser war ursprünglich
für die Pfarrei Pforzheim-Altstadt vorgesehen gewesen, hatte jedoch dem
Konsistorium gegenüber durchblicken lassen, daß er die Lörracher Stellung
„sehnlich wünsche". Zandt genoß allerdings den Ruf eines vorzüglichen Pädagogen
, da er zuvor eine mehrjährige Lehrtätigkeit in der Schweiz ausgeübt
hatte. Bereits in der zweiten Hälfte Juli 1790 zog der neue Mann im
Lörracher Kapitelhause ein. Dies ist der „unbeklatschte Akt von anno 90",
dessen sich Hebel noch ein Jahrzehnt später mit Gefühlen einer nicht völlig
verwundenen Bitterkeit erinnert.

Niemand wird es dem Enttäuschten verdenken, wenn er zunächst nicht
gerade frohen Herzens den neuen Prorektor begrüßte. Allein ein Charakter
vom Schlage Hebels hat niemals persönlichen Verstimmungen den Vorrang
vor den sachlichen Pflichten eingeräumt. Das beweist der Dichter auch in
diesem Falle. Daß Zandt die Hebung der Schule, deren Besuch sich in den
letzten Jahren andauernd verringert hatte, ein ernstliches Anliegen war, hat
sein Mitarbeiter rasch und scharfsichtig erkannt. So kommt er seinen amtlichen
Aufgaben ohne eine Spur von Ressentiment und mit unvermindertem
Eifer nach, ja, er wirkt an der Reform des Pädagogiums durch kluge Umgestaltungsvorschläge
im Lehrplan der zweiten Klasse, der er ordinierte, tatkräftig
mit.

Auch in einen unbefangenen persönlichen Verkehr mit dem neuen Vorgesetzten
und seiner Familie scheint Hebel bald eingetreten zu sein. Gesteht
er doch in einem Briefe an Gustave Fecht vom Dezember 1792: „Ich brauche
keinen roten Faden. Ich hab noch genug, halbe Stränglein und ganze und
Knäulein, die ich Ihrer Frau Mama und Ihnen und der Frau Prorektor Zandtin
weggeputzt habe zum Flicken."

Im übrigen sollte Zandts Verhalten noch ein zweites Mal für Hebel von
schicksalentscheidender Bedeutung werden. Aus Karl Herbsters Forschungen
wissen wir, daß sich Zandt Anfang 1791 privatim wegen Besetzung der beiden
Collaborantenstellungen am Gymnasium illustre in Karlsruhe an das Konsistorium
gewandt hat. Diese Anfrage wurde dahin beantwortet, daß er für
die zweite Stelle in Aussicht genommen sei und man in Bälde seine Entscheidung
erwarte. Nach Ablehnung des Antrags erging der Ruf an Hebel.
Vielleicht wurde dieser sogar durch Zandt, dem der Fehlschlag der Hebeischen
Hoffnungen im Jahre 1790 gewiß nicht unbekannt geblieben war, auf die
Vakanz aufmerksam gemacht. Möglicherweise ist auch Zandts günstige Beurteilung
mit ein Grund gewesen, daß dem Lörracher Präzeptoratsvikar die
vielbegehrte Stelle am Karlsruher Gymnasium zugesprochen wurde. Jedenfalls
bedeutete die Berufung eine Art Wiedergutmachung des im Jahre 1790 zugefügten
Unrechts. Man weiß, daß Hebel nicht gerade leichten Herzens
Lörrach verlassen hat; bedeutete die Beförderung zugleich den schmerzlichen
Verzicht auf das geliebte Oberland und andere Herzensbindungen. Daß es
zudem ein Abschied für immer werden sollte, konnte Hebel, der bis an sein
Lebensende von einer Pfarrei im heimatlichen Wiesental geträumt hat, freilich
noch kaum ahnen. Aber »vielleicht wären die Alemannischen Gedichte ungeschrieben
geblieben, wenn der Tau des Heimwehs und einer ungestillten
Sehnsucht sie nicht blütengleich der Brust des Dichters entlockt hätten!

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