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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1956-02/0027
Für den Grundherrn, der oft entfernt wohnte und von vielerlei kleinen und
größeren Stücken Landes Gefälle zu beanspruchen hatte, war es vielfach nicht
leicht, die einzelnen Stücke und deren recht unterschiedliche Gefälle immer
unter Kontrolle zu halten. Ks ist erstaunlich, wie oft bei Stücken, bei denen
die Nutzungsrechte des Bauern eindeutig, die Gefälle des Grundherrn aber
strittig waren, meist niemandem im ganzen Dorf angeblich etwas von Lasten
auf diesem Stück bekannt war. Der Grundherr durfte dann auch nicht vor
größeren Kosten zurückscheuen, um alte Dokumente herbeizuschaffen, die seine
Ansprüche beweisen konnten, um sie dann im Berain gerichtsprotokollarisch
bestätigen zu lassen.

Die Anlage eines neuen Berains geschah nicht allzu oft, in der Regel und
wenn die Zeitläufte es zuließen, etwa alle dreißig Jahre8). Sie konnte nur durchgeführt
werden mit landesherrlicher Erlaubnis und wurde durch die „Verordneten
Berainigungsleuth" vorgenommen: den amtlichen Renovator der Herrschaft
Rötteln und einige angesehene Leute, meist Geschworene des Gerichts,
ferner den Schulmeister, Pfarrer und einen Schreiber, die zusammen mit dem
Vogt und Stabhalter die Berainigungskommission bildeten. Die Aufstellung
eines neuen Berains begann damit, daß der alte Berain vorgelesen und dann
gefragt wurde, ob sich etwas geändert habe. Die Angaben über Größe und
Abgabe der Güter wurden von allen Dorfbewohnern, immer unter Eid, eingeholt
. Bei strittigen Grenzfragen wurde das fragliche Eeld von der Beraini-
gungskommission, dem Besitzer und den Angrenzern in Augenschein genommen
. Nach der ordnungsmäßigen Aufnahme aller Stücke wurde der neue Berain
dann vor der versammelten Gemeinde öffentlich verlesen. Wurden keine Einwände
vorgebracht, so gaben die Kommission und die Gerichtspersonen ihre
Zustimmung zur „Ingrossierung" auf Pergament. Die fertige Urkunde wurde
dem Landvogt eingeschickt, der sie bestätigte, mit dem Gerichtssiegel versah
und somit rechtskräftig machte9).

Das Anlegen von Berainen war eine sehr kostspielige Sache: nicht nur
mußten die Berainigungsleutc, das teure Schreibmaterial und die Taxe der
Obrigkeit bezahlt werden, sondern außerdem alle Beteiligten — in der Regel
nicht unter 15 Personen — auf des Grundherrn Kosten verpflegt werden.
Zumal wenn das Eigentum sehr zersplittert war, war die Renovation10) sehr
mühevoll und zog sich nicht selten über mehrere Wochen hin. Waren die Bezüge
vom pflichtigen Boden dazu noch gering, so standen die Ausgaben in einem
kaum vertretbaren Verhältnis zu den Einkünften. Es ist begreiflich, daß die
Grundherren daher die Renovation nur vornehmen ließen, wenn ein erheblicher
Verlust ihrer Ansprüche drohte.

In fast allen Berainen kommt es vor, daß Stücke als „nit funden" bezeichnet
wurden. Die verlorenen Stücke machten nicht selten ein ganzes Drittel, manchmal
mehr als zwei Drittel der Liegenschaften eines Grundherrn an einem Ort
aus11). Ursachen sind z.T. die Zerstörung der Äcker durch den Rhein, das
Aussterben der Familie des Inhabers durch den Krieg — die Felder überwachsen
dann oft mit Wald —, vielfach aber auch sicher die bewußte Hinterziehung,
vor allem wenn die letzte Renovation schon sehr lange zurücklag. Gelegentlich
kommt auch ein nicht mehr vorhanden gewesenes Stück wieder zum Vorschein,
aber es verschwindet in der Regel sehr schnell wieder. Die verlorenen Stücke,
die oft nach Lage und Angrenzer genau definiert sind, werden von Berain zu
Berain jedes Mal wieder mit aufgeführt, damit der Anspruch des Eigentümers
darauf nicht verlorengeht. Oft erst um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert
strich man endlich diese verlorenen Stücke aus den Berainen, nachdem man sie
manchmal durch vier Jahrhunderte mitgeschleppt hatte.

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