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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1956-02/0063
anderer Beständer4) den Zehnt ersteigerte; ferner aber auch darauf, daß das
Leiheverhältnis zwischen Grundherrn und Grundholden eine gewisse persönliche
Bindung und Beziehung schuf. So linden wir nicht selten, daß der Grundherr
, wenn der Grundholde unverschuldet in Not geriet oder die Belastung
sehr hoch und das Grundstück schlecht war, vorübergehend oder ständig Nachlaß
gewährte. Besonderes Entgegenkommen zeigten hierin die Bischöfe von
Basel5), doch waren auch die Markgrafen, obwohl im allgemeinen nicht so nachgiebig
, in besonderen Härtefällen bereit, rückständige Zinse wenigstens teilweise
zu erlassen0).

Mit Ausnahme des Zehnten war die Erhebung der öffentlichen Abgaben
zwar zeitraubend und manchmal sehr umständlich, begegnete aber kaum größeren
Schwierigkeiten. Von der Abgabe der Leibeigenen und deren Einzug wurde
schon oben7) gesprochen. Das jährliche Rauchhuhn wurde vom Vogt oder dessen
Beauftragtem eingezogen. Die Umlage von Steuer, Schätzung, Vogtgeld und
ähnlichen Abgaben, die nicht von den Einzelpersonen, sondern von der Gemeinde
als solcher erhoben wurden, wurde durch die Bürgerschaft selbst vorgenommen
.

Der Kelterwein — der indessen meist in Trauben erhoben wurde8) —
war eine öffentliche Abgabe — allerdings durch Kaui, Verleihung oder Pfand
nicht selten in Privathand —, die als Steuer für die Benutzung der Kelter zu
entrichten war. Sie darf nun aber nicht mit der Gebühr für die Benutzung der
Kelter verwechselt werden: diese war zusätzlich zu zahlen. Der Einzug des
Keltersweins bzw. der dafür genommenen Trauben wurde gewöhnlich durch
die Zehntknechte gleichzeitig mit dem Auszehnten der Trauben vorgenommen.

Der Zehnteinzug begegnete mancherlei technischen Schwierigkeiten
und war mit nicht geringen Kosten verbunden. Zunächst wurden vor der
Ernte sogenannte „Zehnt-Inspectores" beauftragt, den voraussichtlichen Ertrag
der Ernte abzuschätzen, um eine Grundlage für die Berechnung der zu erwartenden
Zehnteinkünfte zu erhalten. Dann wurde auf einen Sonn- oder
Festtag nach dem Hauptgottesdienst durch die Amtleute des Markgrafen die
Versteigerung des Zehnten vorgenommen. Dieser wurde nämlich von den Inhabern
fast immer um eine feste Summe, die sich nach dem voraussichtlichen
Ertrag richtete und auf dem Versteigerungsweg geboten wurde, vergeben. In
den sehr seltenen Fällen, in denen nicht genügend geboten wurde, ließen die
Zehntherren ihn auch manchmal auf eigene Rechnung einziehen9). Doch ist das
als Ausnahme anzusehen. Oft taten sich mehrere Interessenten zusammen, um
gemeinsam einen Zehnt zu ersteigern. Die neuen Beständer und die Personen,
die für sie bürgten — die Stellung von Bürgen war Vorschrift — hafteten mit
ihrem gesamten Vermögen für die dem Zehntherrn abzuliefernde Menge an
Früchten.

Viele nahmen auch, um einen ganzen Zehnt kaufen zu können, Geld gegen
Unterpfänder und Gültverschreibungen auf. Da die Naturalerträge des Zehnt,
deren Höhe ja zum Versteigerungstermin noch gar nicht völlig feststand, später
zu einem Preis, der noch viel weniger gesichert war, wieder verkauft werden
mußten, waren die Zehntersteigerungen weitgehend Spekulationen. Anscheinend
konnte man als Zehntbeständer ganz gute Geschäfte machen, denn als
Kauflustige traten nicht nur vermögende Bauern, sondern auch Vögte, Pfarrer,
Sigristen und Schulmeister auf. Die Pacht des Zehnten war so begehrt, daß
man sich oft mit den Preisen gegenseitig derartig in die Höhe trieb, daß man
hinterher beim Zehntherrn um Nachlaß einkommen mußte.

Nach der Versteigerung fand das Zehntmahl statt, das die Zehntherren zu
bestreiten hatten. An ihm nahmen außer den Gastgebern die Beständer, Pfarrer,

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