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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1957-01/0035
noch 2 Vögte, Hüter des Gutes der Armen und Waisen, mit 15 Ellen, den
Knecht mit 8 Ellen und ein „Meytlin" mit 4 Ellen. Einen ledernen Sack
brachte sie noch bei, den sie aber selber behielt, da man ihn nicht gut teilen
konnte; schließlich hatte sie dies durch ihre Selbstlosigkeit auch verdient,
mit der sie nahezu 100 m Linnen verschenkt hatte. Solch eine Freigibigkeit
konnte nur aus einer jahrelangen Übung erwachsen, wie auch die Bedenken-
losigkeit der ehrenfesten Männer. Auch Geld verteilte sie an die Ratsfreunde;
jeder erhielt 3 Batzen. Geld und Sack hatten einem Fremden gehört, der im
Spital verstorben war. Merkwürdige Gewohnheiten hatte die alte Spitalmeisterin.
Sie ist „alls zue Mägt zue Nachts schlaffen gangen". Einmal nahm sie eine
„frembde frauwen" mit sich ins Spital, in das sie nächtlicherweise zurückkehrte
. Sie füllte zwei Tröge mit Spitalgut und ließ sich „alls der Tag angepro-
chen, durch den Spithal Karrhen in Ir aigen Hauß fürhen." Zwar hatten
einige Linnenempfänger später angegeben, ihre Weiber hätten gleich Altartücher
davon, angefertigt, doch war die himmlische Gerechtigkeit aus härterem
Holz geschnitzt als diejenige ihrer Verehrer. Sie brachte den ganzen Handel
an das Licht der Öffentlichkeit. Nicht daß diese „Öffentlichkeit" vielleicht
das Feuer ihrer Empörung allein mit dem öl ihrer Ehrenhaftigkeit gespeist
hätte, es war eine etwas rußige Flamme durch den Zusatz „mangelnder Gelegenheit
".

Einer der Lohnherren bekannte, daß er unrecht und unweislich, „aber
beim wenigsten unehrlich gehandelt habe, beyneben mit weinenden Augen
umb Verzeihung Pittendt." Alle andern haben je nach Charakter eine Antwort
bereit. Der Stadtschreiber hatte es von allen am schwersten, denn sein
Weib hatte vor Freude über den günstigen Fang das ganze Linnen bereits zu
Bettüchern und ruchen Hemden verschnitten. Vielleicht hätte beides schon
längst erneuert werden müssen. Er konnte also zur Wahrung des Gesichts
nicht rasch Altartücher daraus fertigen lassen. So vertritt er die Ansicht, „weyl
Er etlich mahl im Spithal inventirt, hette Er sich deßen nicht versehen, sondern
mehr umb gemeine Statt verdient zehaben verhoffet."

Der neue Bürgermeister entschuldigte sich damit, daß er nichts davon
gewußt habe.

Der alte Bürgermeister hat alles behalten und entschuldigte sich nicht.
Vielleicht war er doch der gestrafteste Mann von allen und betrachtete die
drei Batzen und das Linnen als geringe Entschädigung dafür, daß er der
Wittib die Ehe versprochen hatte. Ob er sein Versprechen einlöste, ist nicht
überliefert, bei der Beschaffenheit der alten Spitalmeisterin wird daran aber
kaum zu zweifeln sein.

„Der Spitalpfläger zeigt an, weyl die andern alle alls Häupter der Statt
solches genommen, habe er nichts darüber sagen dörffen; alls er aber erfahren,
daß solches unrecht, habe Er alles wider in Spithal gelüffert: vermeindt also
entschuldiget zesein."

Wo soviel Schuld sich auf einem Haupte häuft, hat auch noch eine andre
unbewiesene Platz. Zwei Eheleute genossen im Spital die Pfründ. Wenn zwei
es endlich behaglich hätten, so holt sie gewiß der Tod. So auch hier. Zuerst
starb der Mann, dann legte sich die Frau auf ihr Sterbelager. „Ist ein Ehrlicher
Bürger oder Hindersäß, so Ir Landtsmann, sie zue besuochen in ermeltem
Spithal, in Ir Stüblin gangen, alda er sye gar übel aufgefunden. Doch hab Sye
Ihn angesprochen, Sie hab alda etlich gelt. Er solls Ihren zehlen. Welches
Er gethan und an gelt gefunden 11 Gulden 5 ß, so sye, die kranckh frauw,
gleichfalls wider in Ir Troge beschloßen." Als man nach ihrem Tode ihre
Hinterlassenschaft aufnahm, war das Geld bis auf einen halben Franken verschwunden
, desgleichen das Deckbett und das Unterbett.

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