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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1957-02/0004
Nachfolger, der 3. Sohn aus Karl Friedrichs 1. Ehe, Großherzog Ludwig,
war den freiheitlichen Ideen der jungen Verfassung völlig abhold. Er war
ein Mann der alten Schule und ganz in den Anschauungen des absoluten
Fürstentums aufgewachsen und erzogen. Nur mit innerem Widerstreben fügte
er sich den völlig veränderten neuen Verhältnissen und den Forderungen
dieser neuen Zeit; er suchte die Möglichkeiten, die die Verfassung dem Fürsten
und dem Volk gaben, nicht fortzuentwickeln, sondern zu hemmen. Unter
seinem Kabinetts- und Staatsminister Reinhard Frhrn. von Berstett trat eine
Periode politischer Reaktion ein, bei der es sogar zur teilweisen Veränderung
der Verfassungsurkunde im Sinne einer Verminderung der Volksrechte kam;
schon bei der ersten Tagung der Landstände im Sommer 1819 kam es
zu Reibungen zwischen der mit jugendlich-stürmischem Eifer vorgehenden
zweiten Kammer und der Regierung. Die unter dem Einfluß des allmächtigen
österreichischen Staatskanzlers, Fürst Clemens v. Metternich im Sommer
1819 erlassenen sog. Karlsbader Beschlüsse zur Unterdrückung der „demagogischen
" Umtriebe, wie man die freiheitlichen Forderungen des Volkes
nannte, waren die schärfsten Kampfmaßnahmen gegen die aufkommende nationale
und liberale Bewegung, die besonders in dem an weitgehende politische
Freiheit gewöhnten Markgräflerland größte Erbitterung hervorriefen, um so
mehr, als man seitens der Regierung mit einem absolutistischen, durch die
Ereignisse der verflossenen Jahre längst überholten Polizeiregiment den Bestrebungen
des Volkes entgegenzuwirken suchte.

Von einer gedeihlichen Entwicklung der jungen Lesegesellschaft konnte
unter diesen Umständen nicht die Rede sein. Die ganze Tätigkeit wurde von
der Polizei sorgfältig überwacht, politische Gespräche zu führen, war gefährlich,
Zeitungen, soweit sie damals gedruckt wurden, durften nur nach einer strengen
und kleinlichen Zensur unter das Volk kommen, Handel und Wandel stockten
unter der alles erstickenden und erdrückenden politischen Reaktion. Treffend
nannte man die Zeit vom Sturz Napoleons bis zur revolutionären Bewegung
1848/49 die „Biedermeierzeit", die die politische Kleinstaaterei und bürgerliche
Unfreiheit charakterisierte. Man las in den Lesegesellschaften und Lesezirkeln
die amtliche „Karlsruher Zeitung", die Freiburger Zeitung, den schwäbischen
Merkur, die Allgemeine Zeitung und das Morgenblatt, an Büchern natürlich
Hebels Rheinländischen Hausfreund und den Lahrer Hinkenden Boten, Schmitts
Ostereier, Campes Robinson Crusoe, Cooks Reisen, die Geistergeschichten von
Jung-Stilling, die Jahrmarktsbroschüren über den Schinderhannes, die vier
Haimonskinder und ähnliche harmlose Blätter. So konnte das bescheidene Lesezimmer
nur wenig für Bildungszwecke oder gesellige Förderung bieten, es
wurde gespielt, geraucht, getrunken, aber auf das gemeindliche und politische
Geschehen hatte man keinen Einfluß.

Mit dem Tode von Großherzog Ludwig am 30. März 1830 trat die Wende
zum Besseren ein, als der älteste Sohn Karl Friedrichs aus zweiter Ehe, Großherzog
Leopold, zur Regierung kam. Er war empfänglich für das politische
Sehnen des Volkes, das ihm, dem „Bürger- und Volksfreund", mit vollem
Vertrauen entgegenkam. Er hob die reaktionären Maßnahmen seines Vorgängers
alsbald auf und schritt zu zeitgemäßen Reformen auf den verschiedensten
Gebieten des öffentlichen Lebens. Ein freiheitliches Pressegesetz, das die
Aufhebung der Zensur brachte, wurde vom Bundestag bald wieder aufgehoben,
aber die drückenden Frondienste und Zehnten wurden beseitigt, eine neue
Gemeindeordnung erlassen, das Unterrichtswesen gefördert durch Erlassung
des Volksschulgesetzes und dergl. mehr. Das Volk nahm freudigen Anteil an
diesen Reformen, ein frischer Wind blies durch die alten und verstaubten Einrichtungen
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