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Schlosses Rötteln in dem freundlichen Orte eine neue und bleibende Heimstätte
fanden, die Lörracher Märkte und als das wesentlichste Positivum ein arbeitsamer
, wagemutiger, fröhlicher und doch anspruchsloser Volksschlag. Heute
noch bilden die Bewohner der drei hochalemannischen ehemaligen Herrschaften
Rötteln, Sausenberg und Badenweiler „ein deutlich wahrnehmbares Ganzes
nach Sprache, Tracht und Bekenntnis, ja man möchte fast sagen: auch nach
dem Wesen und Charakter" (Karl Seith). Das Oberland besitzt ferner eine
durch Jahrhunderte hindurch reichende Tradition, durch die es sich von den
Nachbargebieten bis in die neuere Zeit hinein unterschied. Die Lage Lörrachs
in der Dreiländerecke hat den aufgeschlossenen markgräfler Einwohnern den
Blick geweitet; die Nachbarschaft mit Basel vor allem wirkte spürbar in fast
alle Lebensbereiche der Gemeinschaft und des Einzelnen hinein. Jeder dieser
Faktoren mag - für sich allein betrachtet - eindrucksvoll und geschichtsbildend
erscheinen. In Wahrheit aber zählt er nur in seinen Verbindungen und Abhängigkeiten
, im Zusammenhang mit allen anderen Entwicklungselementen.
I
Leibeigenschaft und Stadtprivileg.
Als Markgraf Friedrich Magnus im Jahre 1682 den Flecken Lörrach zu
einer „künftigen newen" Stadt erhob, geschah dies nicht ohne etliche warnende
Gegenmemorials einiger Räte1). Tatsächlich erfuhren die vorgetragenen Bedenken
eine scheinbare Bestätigung, denn die junge Stadt konnte und wollte nicht
recht gedeihen. Die Stadtprivilegien vermochten nicht zu verwirklichen, was
sie versprachen. Äußere Umstände trugen die Schuld daran. Gleichwohl fiel
Lörrach nicht in einen rein dörflichen Status zurück, und auch das Wissen um
die städtischen Gerechtsame blieb erhalten; aber sie waren unwirklich geworden.
Die von Rötteln nach Lörrach verlegten weltlichen und geistlichen Ämter verliehen
dem Ort ein besonderes Gepräge. Freilich galt das Röttelische Specialat,
dessen Gerechtigkeiten und Privilegien bis auf die Markgrafen Rudolf III. und
Wilhelm (1428) zurückgehen, hinsichtlich seiner Einkünfte als ein „armes
Capitul" 2). Aber die markgräfliche Verwaltung insgesamt behauptete hier sogar
bis in das 19. Jh. hinein einen Sondercharakter.
Der Name „Lörrach" ist in jener Zeit nicht von der Landvogtei bzw. dem
Oberamt Rötteln zu trennen. Daher befaßten sich immer wieder die örtlichen
und Karlsruher Behörden mit den Verhältnissen dieses Ortes, der immer auch
eine verhältnismäßig starke Anziehungskraft auf Professionisten aller Art ausübte
. Serenissimus selbst ließ sich im Jahre 1716 von Samuel Brodthag zu Basel
die 1682 bei Martin Müller in Durlach gedruckten Lörracher Stadtprivilegien
vorlegen - man weiß nicht recht, aus welchem Anlaß3), und Landvogt von
Wallbrunn bemerkte am 12. Dezember 1749 auf einem Gesuch um Erweiterung
der Marktprivilegien: „Dem Ort selbsten aber würde nicht nur ein Ansehen,
sondern vielfältiger Vortheil und größte Nahrung dadurch zuwachsen, und
derselbe mit der Zeit dasjenige in der That werden, was er bis dato nur dem
nahmen nach gewesen, hingegen denen von Kaysers und Ew. in Gott ruhenden
Herrn Groß Ahnherrn verliehenen Stadtrechten gemäß hätte sein sollen"4).
*) Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA), Abteilung 212 (Specialia Lörrach), Fase.
Nr. 145, S. 19—24.
2) GLA 212/417, 1710—1739.
3) GLA 212/146, S. 10—16.
4) GLA 212/357, S. 1—19.
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