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Ein weiterer Beweis für die seit 1682 wohl immer erwiesene exempte Stellung
Lörrachs liegt in der 1712 erfolgten Aufhebung des Pflug- und Wächterkorns
bzw. Wächtergeldes in Ansehung der dahin geschehenen Translation des Oberamtes
, weil die Gemeinde dadurch - im Verhältnis zu anderen Orten - mit
„onera" (Lasten) zu sehr beschwert würde5). Im Jahre 1737 erhielt der Mark-
gräfler Johann Detlev Hoyer die Konzession für die Errichtung einer Apotheke
mit Spezereiwarenhandel in Lörrach; in der damaligen Zeit gab es auf dem
flachen Lande noch keine Apotheken, und auch heute noch ist das ein seltener
Fall6). Der schlüssigste Beweis dafür, daß die Stadtprivilegien noch bekannt
und auch schon zumindest begründete Hoffnungen auf eine Wiederverleihung
der Stadtrechte in absehbarer Zeit vorhanden gewesen sein müssen, stellt die
Erlaubniserteilung der Karlsruher Regierung für den Bau eines Korn- und
Rathauses durch die Gemeinde vom 22. Februar 1753 dar7. Dieses Haus sollte
allen sichtbar die gewichtige Würde der Stadtgerechtigkeit zum Ausdruck bringen
, ja, es war geradezu eine Vorbedingung. Es zeigte in seiner architektonischen
Gestaltung „einen Ausdruck der diskreten Zurückhaltung und jenes
sympathischen Stolzes, der im Grunde aller alemannischen, der Markgräfler Art
aber im besonderen eigen ist" 8). Da die Gemeinde vordem kein Rathaus besaß,
tagten bis dahin Bürgermeister und Rat in der „Stube", der alten Dorfwirtschaft
„zum Ochsen", dem heutigen „Storchen"9).
Wie kam es nun, daß trotz des unzweifelhaft bei den Behörden und auch
bei der Lörracher Einwohnerschaft vorhandenen Wissens um die Stadtrechte
im Laufe weniger Jahrzehnte die ganze Gemeinde rechtlich offenbar in den
Status eines leibeigenen Untertanendorfes zurückversetzt wurde? Die Lörracher
unterschrieben ihr Gesuch um Wiederverleihung der dahingeschwundenen Privilegien
vom 14. April 1755 als „untertänigst gehorsamste Leibeigene Unter-
thanen" 10). Das Privileg von 1682 bestimmte, daß ein jeder, der in Lörrach
5) GLA 212/219.
6) GLA 212/349. Die von Leutrum aus merkantilistischen Erwägungen protegierte
Konzessionserteilung datiert vom 20. V. 1737 und war mit einer Reihe von Privilegien
verbunden: Befreiung von Einquartierung, Frohnen, Wachen; die Spezereiwaren unterlagen
weder dem Land- und Pfundzoll noch der Accise und dem Weggeld. Bezeichnend
die Bestimmung, daß Krämer, Juden, Alchimisten, Bruchschneider und Marktschreier
Apothekerwaren nicht feilhalten dürfen. Hoyer hatte Handelserlaubnis für Gewürz,
Pfeffer, Imber, Gewürznägele, Zimt, Zucker, Coffee, Mandeln, Safran, Wachs, Galläpfel
, Alaun, Venedische Seiffen, Blejweis, Silberglätt u. a.
7) GLA 212/243, 231.
8) Pf ister Arnold, Lörracher Bauten, 1939, S. 26. Höchstetter Wilhelm, Die Stadt
Lörrach, ihre Entstehung, Gegenwart und 200jährige Jubelfeier, 1882, S. 75.
9) Herbster Karl, Lörracher geschichtliche Erinnerungen, 1948, S. 14, 18. — Im
Berain von 1686 heißt es: „Von der Taffern des gemeinen oder Rathauses falt Jährlich
zween Gulden" fHöchstetter, S. 25). Mit dem Bau des Korn- und Rathauses muß 1753,
spätestens 1754 begonnen worden sein, denn wie hätte sich sonst die gesamte Bürgerschaft
daselbst zur Privilegienfeier versammeln können! Im Turm des Rathauses hing
eine von dem Lörracher Glockengießer Andreas Roost 1757 gegossene Glocke mit den
Namen des Bürgermeisters Wilhelm Roth und der Ratsherren Conradt Widtmer,
Johann Brödlin, Johann Jacob Bürgin, Johann Gemp, Georg Hagist, Erbonus Hof-
man und Jacob Sommer, Baumeister (Stadtarchiv Akten IV. l/65a> S. 661). Es ist in
diesem Zusammenhang interessant, daß demgegenüber Stetten bis 1695 ein eigenes
Gemeindehaus besaß, das es in diesem Jahre aus Geldnot an Friedlin Hermann mit
der Auflage verkaufte, darin „gemeinde zue halten, das gericht zue besetzen undt sich
eines kerkhers oder gefenkhnuß zue bediehnen" zu dürfen; Stadtarchiv Urk. Nr. 3
v. 1695, Juni 12.
10) GLA 212/150.
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