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Lebensmittel, nur keinen Wein, daher die Lebensmittel wieder wohlfeiler wurden
. Von 1812 bis 1818 ist fast gar kein Wein und lauter saurer gewachsen,
so daß der Saum guten Weines 100 Gulden kostete. Aber der Sommer 1818
war so fruchtbar, daß alle Lebensmittel für Menschen und Vieh in Menge
gewachsen sind. Das Malter Kernfrucht kostet jetzt 12 Gulden, das Malter
Erdäpfel 1 Gulden 30 xr und der Saum Wein 24 Gulden"64).
Im Sommer 1833 erlebten die Lörracher ein Vorkommnis, wie es noch nie
geschehen war. Am 18. März 1832 hatte sich im benachbarten Basel die Landschaft
als selbständiger Kanton konstituiert, sehr zum Mißvergnügen von Basel-
Stadt. Nach einer Reihe ergebnisloser Verhandlungen und Tagsatzungen marschierten
schließlich baselstädtische Truppen am 3. August 1833 gegen Liestal,
erlitten aber hinter dem Dorfe Pratteln durch das landschaftliche Aufgebot
eine blutige Niederlage und strömten daraufhin in wilder Flucht nach Basel
zurück. „Am 3. August war unser Ort plötzlich von Basler Flüchtlingen, die
zu Fuß und Wagen kamen, überschwemmt"65), sie hofften, in Lörrach mit
ihrer Habe Ruhe und Sicherheit zu finden. Sonst war es meist umgekehrt.
Karl Herbster etwa erzählt in seinen geschichtlichen Aufsätzen von manchen
Geburten flüchtiger Lörracherinnen in Riehen und Basel66). Zur Sicherung
und Überwachung der badisch-baslerischen Grenze hatte die Gr. Regierung vorsorglich
Truppen in die Gegend gelegt; in Lörrach war ein Bataillon der
Leibgrenadiere unter Major Bechtold und eine Batterie stationiert67).
Dank seiner Lage in der Dreiländerecke, die den Revolutionären von 1848/
1849 äußerst günstige Möglichkeiten für ihre weitreichenden Pläne bot, wurde
der Name Lörrachs als Hauptquartier der Republikaner in allen deutschen
Gauen bekannt. Hier erschien am 22, September 1848 das erste und einzige
„Republikanische Regierungsblatt" mit einem Aufruf „W ohlstand, Bildung
und Freiheit für alle" an die deutsche Republik68). Der schon mehrfach
zitierte praktische Arzt Eduard Kaiser hat uns in seinen nicht genug zu
schätzenden Erinnerungen auch einen ausführlichen Bericht über die badische
Revolution hinterlassen. Kaiser - obschon ein Anhänger der Farben schwarz-
rot-gold - war ein Gegner der Revolution, weil er mit kühlem Verstand und
reifem Urteil das Unfertige, Unausgegorene der revolutionären Vorstellungen
und sehr rasch auch die Fehler und Mißgriffe der handelnden Persönlichkeiten
durchschaute. So blieb ihm und seiner Familie in diesem aufregenden Jahr
nichts an Verleumdungen und selbst schweren materiellen Schädigungen erspart;
gleichwohl ist seine Darstellung objektiv und über persönliche Anfechtungen
erhaben69).
Lörrachs Bevölkerung war liberalen Gedankengängen gegenüber aufgeschlossen
; das zeigte sich besonders nach dem Hambacher Fest (1832), als
derartige Regungen laut und von der Reaktion kräftig unterdrückt wurden.
Auch sozialistische Ideen fanden hier schon frühzeitig einen fruchtbaren
64) Akten Stadtarchiv IV, l/65a, S. 8 f. — Es handelt sich um eine Urkunde, die
der am 15. November 1818 zum Oberbürgermeister ernannte Johann Georg Grether
in den Turmknopf der evangelischen Stadtpfarrkirche an Weihnachten 1818 einlegte.
65) Kaiser, S. 149.
66) Oberländer Bote Nr. 156 vom 7. VII. 1921.
67) Herbster gibt a. a. O. eine hübsche Anekdote wieder, wie Oberbürgermeister
Grether ein Fäßlein Wein verlor, weil die Soldaten gegen seine Erwartungen in
weniger als zwei Stunden bei Alarm marschbereit auf dem Marktplatz standen, obwohl
sie ihren Quartierleuten in der dienstfreien Zeit auf dem Feld und im Weinberg
halfen.
68) Stadtarchiv, Urk. Nr. 19.
69) Die Darstellung folgt E. Kaiser, S. 244 ff.
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