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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1957-02/0043
Boden70). So gewannen Hecker und Struve bei der Bevölkerung einigen
Anhang, es regnete gleichsam Volksversammlungen, Beschlüsse und Reden, bis
endlich Hecker in Konstanz die Revolution ausrief und seine Scharen in
Bewegung setzte. Am 20. April 1848 forderte er die Stadtverwaltung auf,
zur Unterstützung seines Revolutionszuges das erste Aufgebot auszurüsten und
nach Kandern zu schicken; die Gemeindebehörde verweigerte aber den Gehorsam
. Unter dem Befehl eines Gastwirts Weisshaar zogen darauf etwa 800
Mann der Hecker'schen Scharen durch die Stadt, doch schlössen sich trotz
mannhafter Reden und Uberzeugungsversuchen nur drei bis vier junge Leute
dem Zuge an. In dem bekannten Gefecht auf der Scheideck bei Kandern
am 20. April wurden die Revolutionäre geschlagen; General von Gagern
verlor bei der Gelegenheit durch nie völlig geklärte Umstände sein Leben.
Wenige Tage später wurden die „Deutsche Legion" Herweghs und das Aufgebot
Sigels geschlagen. Badische Truppen waren wieder Herr der Lage,
Hecker floh über die Schweiz nach Nordamerika.

Inzwischen waren allenthalben milizartige Bürgerwehren gebildet worden
; sie boten einer neuen Schilderhebung paratere Mittel und gerüstetere
Kämpfer, als Hecker sie vorgefunden. Die unbestimmte Tatenlust entzündete
sich plötzlich an dem demütigenden Waffenstillstand mit Dänemark, der
am 16. September 1848 unverhofft vom Frankfurter Parlament gut geheißen
wurde und den Frankfurter Aufstand vom 18. September auslöste. Nun sah
der nach Basel emigrierte und dort in bitterer Not lebende Karl Struve seine
Sternstunde gekommen und brach am 21. September, dem Jahrestag der Proklamierung
der französischen Republik von 1792, los. In Lörrach war gerade
Jahrmarkt, als Struve mit der Bürgerwehr und sonstigen Bewaffneten die
Herrschaft an sich riß, mit den Gemeindebehörden verhandelte, die Ortsdruckerei
für Edikte und Proklamationen beschlagnahmte, eine Lokalregierung
einsetzte und überall rote Fahnen und Schilder anbringen ließ. Für die Anfertigung
des nötigen „großen Siegels der deutschen Republik" sorgte in Eile ein
Lörracher Großindustrieller. Dann proklamierte Struve mit einer begeisternden
Ansprache vom Rathaus in der Wallbrunnstraße aus die „deutsche Republik
", die angeblich in diesem Augenblick in allen deutschen Landen ausgerufen
würde. Am folgenden Tag, dem 22. September, wurde das erste Aufgebot
aller Gemeinden mobil gemacht und gegen Schliengen gesandt. In
der Hauptsache war der Struve'sche Heerbann auf dem Wege des Zwanges,
der Drohung und des Pressens zusammengetrieben, und kaum zur Hälfte
bewaffnet; Markus Pflüger71) führte das Kommando über das Lörracher
Kontingent. Aber rasch rückten badische und hessische Truppen unter General
Hoffmann heran, und am 24. September wurden die Freischärler bei Staufen
geschlagen; es gab ein halbes Dutzend Tote, nämlich die gänzlich unbeteiligte
Ortsmusik von Weil, die von der badischen Artillerie aus Mißverständnis
zusammengeschossen wurde. Einige Tage später gerieten Struve und sein Stab
bei Wehr in Gefangenschaft, von wo er nach Rastatt gebracht wurde.
Das Lörracher Regierungstriumvirat war rechtzeitig in die Schweiz durchgebrannt
. Ein größeres Kontingent Infanterie und Artillerie unter Oberst von
Rotberg bezog nun in Lörrach Quartier.

Die Bürgerschaft machte sich gegenseitig Vorwürfe über ihr jüngstes Verhalten
, eine Legion politischer Prozesse flutete über das Land, viele wurden
eingesperrt und die Familien gerieten in Not. Die Einquartierung bedrückte

70) GLA, Spezialia Lörrach, Zugang 1924: Gemeingefährliche Bestrebungen der
Sozialdemokratischen Partei ab 1868, 20 Fasz., Sozialistengesetz 1878, Arbeiterwahlverein
Lörrach 1889—1894 usw.; Stadtarchiv Akten XI, 2/45.

71) vgl. Text S. 7.

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