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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1957-02/0046
Ein anderes Zeugnis aus jener Zeit beleuchtet die Situation nach 1756 unter
gänzlich neuen Aspekten. Am 22. Juni 1764 reichte der damalige Prorektor
Wolf der Realschule (Pädagogium) ein ausführlich begründetes Gesuch ein, diese
Schule nach Karlsruhe oder Pforzheim zu verlegen78). Der im Oberland berühmten
Schule, 1650 als Röttier „Landschule" gegründet und seit 1697 als
„Lateinschule" in Lörrach, verdankt die Stadt einen guten Teil ihres Ansehens79
). Es ist deshalb verständlich, daß Special Walz80) am 6. August 1764
gutachtlich über die Wölpsche Vorlage äußerte, es werde schwer sein, „dem gefallenen
Credit wieder aufzuhelfen". Durch eine zweijährige Krankheit des
Prorektors hatte die Schule ohnedies schon einen „harten Stoß" bekommen.
Immerhin konnte Walz die angegebenen Gründe nicht völlig entkräften.

Wolf führte aus, daß in Lörrach kein einziger fürstlicher Bediensteter sei,
der Kinder habe, die man in die erste Classe der Realschule schicken könne.
Trotz aller Bemühungen habe man auch aus der „schlecht bestellten Bürgerschaft
" kein Kind für die Schule gewinnen können, „weil sie die Eltern entweder
zu Hause brauchen oder in die Fabrik schicken". Nur die Pfarrer und
andere Leute vom Lande würden ihre Kinder schicken, aber sie könnten „selbst
ein geringes Kostgeld nicht aufbringen". Nun folgen einige allgemeine Bemerkungen
, daß die Lebensmittel hier teurer seien als in Basel und daß auf
eine Besserung nicht zu hoffen sei. Anläßlich einer Reise in die Schweiz habe
er vergeblich versucht, „ein Avertissement (wohl jenes von 1756) durch gute
Adressen ausbreiten zu können". Dabei habe er von ehrenhaften Männern gehört
, „daß der hiesige Ort in den Augen der Schweizer ein sehr verachteter
und verhaßter Ort seye. Man sagte mir nicht nur die Ursachen davon, welche
ich aber in gegenwärtiger Connexion zu offenbaren mich scheue, sondern auch,
daß man sowohl in Bern als Arau auf gleiche Etablißements sehr aufmerksam
bedacht seye und es ihnen nur noch an Leuten fehle, welche dergleichen vorzustehen
im Stande wären." Zum Schluß klagte Wolf darüber, daß Lörrach den
meisten Fremden „in Absicht auf die Gesundheit sehr fatal" sei, was er nach
seiner Krankheit besonders empfinde81). Er bittet nun, ihm eine bessere Gelegenheit
zu geben, um dort zeigen zu können, was zu leisten er imstande
sei. — Zweifellos prägen persönliche Motive dem Schreiben ihren Stempel auf:
Krankheit und eine starke Unlust, ferner in Lörrach zu wirken, wohl hervorgerufen
durch „Jalousie und Mißgunst", wie es einmal am Rande heißt. Übrig
bleiben zwei wichtige Tatsachen: das Fehlen einer breiten, wirtschaftlich gefestigten
Bürgerschaft mit Bildungsidealen und ein offensichtliches Mißvergnügen
der Schweizer Nachbarn über die aufstrebende Industrie- und Arbeiterstadt
. — Nach wenigen Wochen schon teilten die Karlsruher Behörden mit,
daß sie den Vorschlag nicht für tunlich hielten.

Nun besserten sich aber die Verhältnisse in zunehmendem Maße. Wären
nicht die napoleonischen Kriege über das Land gekommen, so würde die Entwicklung
vermutlich noch rascher vorangeschritten sein. Von großer Bedeutung
für das Ansehen der Stadt war, daß es um 1800 gelang, die der Stadtpfarrei

78) GLA 212/410.

79) Geschichte des Pädagogiums bei Höchstetter, S. 155 ff.; ferner: Das markgräfliche
Pädagogium in Lörrach zu Beginn des 18. Jh. von Dr. A. Baumhauer in „Mark-
gräflerland", Jhrg. 16, Heft 1954, S. 25—35.

80) Biographische Daten über Special Walz bei Höchstetter. S. 81 ff.

81) Tatsächlich heißt es in der Leutrum'schen Handschrift um 1740 (GLA Nr. 564):
„. . Man haltet diesen Ort nicht vor ganz gesund, angesehen allerhand Gattung Fieber
hier öfters regieren, so dem Trinkwasser vieles zugeschrieben wird; dann wo es nur
einen starken Regen tut,* seind alle Brunnen voller Leim ...".

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