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5.
österreichische Regierungsakte in Inzlingen
1752 hatte Maria Theresia dem Markgrafen von Baden die Versicherung gegeben
, daß man willens sei, die schwebenden Fragen zu regeln und ihn für die
bisher erfolgten Übergriffe zu restituieren. Der Markgraf vertröstete sich mit
der unumgänglich notwendigen Konferenz, für die er schon längere Zeit Vorbereitungen
treffen ließ durch die Sammlung des einschlägigen Akten- und Ur-
kundenmaterials aus allen erreichbaren Archiven in Rötteln, Basel, Karlsruhe
und Inzlingen. Immer wieder wurden die Aussichten auf die Verwirklichung
der Konferenz zunichte. Bei einer Einvernahme des Inzlinger Amtmanns Martini
auf dem Freiburger Regierungspräsidium fiel die Bemerkung, daß man nicht
recht glaube, daß es dem Markgrafen mit der Konferenz ernst sei. Martini erklärte
in aller Höflichkeit, daß er seitens des Oberamts Rötteln schon oft zu
hören bekam, daß man in Freiburg offenbar im Ernst gar nicht an die Konferenz
denke. In Freiburg galt als einwandfreier staatsrechtlicher Boden die
Voraussetzung, daß nicht der Markgraf, sondern das Haus Habsburg Landesherr
sei. Viele Inzlinger hatten sich längst zu diesem Standpunkt entwickelt, vor
allem der Inzlinger Vogt Gruoni, der in der Zeit, da der Baron Franz Ignaz
v. Reichenstein in Inzlingen (1760 bis 1776) und der Geh. Hof rat v. Wallbrunn
Landvogt von Rötteln war, als Vogt ein schlimmer Widersacher des Barons
war und alle Vorgänge von Inzlingen nach Freiburg berichtete. Hinter Freiburg
stand die österreichische Hausmacht und eine sehr aktive, scharf vorgehende
Beamtenschaft, allerdings auch die höchste staatliche Autorität, der man mark-
gräflicherseits als letztem Refugium des Rechts unbedingtes Vertrauen entgegenbrachte
. Den Machtansprüchen der Freiburger Regierung hatte die markgräfliche
Regierung nur die Betonung ihrer historisch genügend begründeten Ansprüche
und deren Beweise entgegen zu stellen, den erfolgten Rechtsübergriffen
immer wiederholte Proteste und Rechtsverwahrungen, in allen Schriftsätzen
und mündlichen Verhandlungen äußerste Vorsicht, um jeder Gefahr der Präjudizierung
für die Zukunft vorzubeugen, in der amtlichen Behandlung zwischen
dem Reichensteinischen Amt und dem Oberamt Klugheit, Vorsicht, unbedingte
Zuverlässigkeit und Festigkeit gegenüber Freiburg. Das Inzlinger Amt war ja
immer die Adresse, an die einerseits die Freiburger Dekrete und Strafandrohungen
gingen, anderseits die markgräflichen Entschlüsse und Anweisungen, die
ebenfalls mit der Androhung der Privatio feudi im Fall der Nichterfüllung
markgräflicher Befehle ergingen. Nahezu ein gutes Drittel aller Akten des Landesarchivs
in Karlsruhe entstammen der Zeit des Barons Ignaz v. Reichenstein.
Zweifellos bestand auf Seiten des Inzlinger Amtes eine wachsende Überempfindlichkeit
hinsichtlich der Landeshoheit, die ja als hintergründige Frage gewiß
hinter den meisten Akten stand, aber sicher manchmal in den Vordergrund gerückt
wurde und dadurch die Situation verwirrend beeinflußte. Die Spannungen
der vorausgehend behandelten Zeit waren dieser Art. Im Hintergrund stand
der österreichische Anspruch. Im Vordergrund aber waren es bei der Angelegenheit
Hans Thüring die Frage nach der Gerichtskompetenz, die ja immerhin gestellt
werden konnte (nachdem Reichenstein einerseits markgräflicher Vasall,
anderseits aber Mitglied des Breisgauer Ritterstands war). Österreich hatte im
ganzen Breisgau die Vogteirechte, mithin in Fällen, wo Untertanen ungerecht
unterdrückt wurden, das Recht der Vermittlung und des Schutzes gegenüber
den Bedrängten. So ließ sich die Einmischung in die Inzlinger Strafexekutionen
irgendwie begründen. Zweifellos hatte ferner Österreich seit 1600 ein Jus collec-
tandi über Inzlingen ausgeübt, während die Markgrafen offensichtlich die Inzlinger
steuerlich nicht in Anspruch nahmen; die Reichssteuern des Gemeinen
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