http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1961-01/0184
hören Sie mir mit gewissenhafter Aufmerksamkeit zu, ohne zu lachen, zu husten
oder zu spucken. Hätten Sie, ohne zu seufzen, das Regiment Hohenlohe in ein Land
verpflanzt sehen können, wo es nicht Fuß fassen kann, weil es überhaupt keinen
Wein gibt? Nein, ich kenne Ihr gutes Herz, Sie hätten zweifellos mehr als eine
Träne vergossen. Ach, wie traurig ist es doch, Sie gekannt zu haben, Ihre reizenden
Töchter gesehen und Ihren göttlichen Nektar geschmeckt zu haben, wenn man sich
Ludwig Anton Heinrich von Bourbon-Conde, Herzog von Enghien
nun weiblichen Wesen gegenüber befindet, deren hübschestem ich nicht meine Schuhe
zum Putzen geben möchte; wenn man neben sich einen Topf Bier hat, der höchstens
gut genug ist, um meinem Pferd die Füße zu waschen, und - schlimmer als alles -
wenn man bei schmutzigen Leuten leben muß, die keine anderen Kenntnisse haben,
als ihre Tiere zu versorgen, und für dreiviertel und mehr Zeit nicht zu verstehen
sind. Da haben Sie eine Zeichnung meines reizenden und unterhaltsamen Aufenthaltes
! Das ist sehr originell, werden Sie sagen, und ich gebe es zu. Aber es ist nicht
amüsant. Was mir hier mehr gefällt, ist, daß die Einwohner eine Verehrung für
mich hegen, die an Vergötterung grenzt. Darin ist mein kleiner Herrschaftsbereich
sehr angenehm. Aber ich bin eine halbe Meile von jedem geselligen Wesen entfernt,
und der größte Teil meiner Zeit vergeht mit Überlegen und Nachdenken über die
Wechselfälle des Lebens dieser Welt, mit Vergleichen zwischen der Schönheit der
Gegend, die Sie bewohnen, und der zerrissenen Landschaft hier, zwischen Ihren lachenden
, fruchtbaren Feldern und der Traurigkeit dieser ungeheuren Tannenwälder.
Ja, der Vergleich ist schockierend; aber ich versichere Ihnen, lieber Papa Löffler,
daß die Erinnerungen an Müllheim in mein Gedächtnis bleibend eingegraben sind.
Die Augenblicke, die ich dort verlebt habe, sind so glücklich gewesen, daß ich gewiß-
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