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Gefragt danach, sah sie mich nur bedeutungsvoll an und ich nahm an, daß sie einen
Segen darüber gesprochen hatte. Dieses Kreuzzeichen machen auch heute noch jüngere
Bauersfrauen.
Ist dann das Feuer in dem geräumigen Backofen „abgelegen", wird die Glut
herausgenommen und vornen an der Seite ein kleines Vorfeuer unterhalten, damit
man dazu sieht, wenn auf dem mehlbestäubten „Schüßel", das runde, flache Holzbrett
mit langem Stiel, die auf dem umgedrehten Muldendeckel rund ausgewalkten
Brotlaibe „eingeschoßen" werden. Zur „Vorwaihe" wird der Schüßel mit dünn ausgewelltem
Teig belegt und dieser mit verklopften Eiern und Rahm bedeckt und mit
Salz bestreut. Auch wird ein mit Mehl und Milch aufgekochtes Teiglein, das ebenfalls
mit Eiern, Rahm und Salz verfeinert und aufgestrichen wird, als Rahm - mit
kleinen Apfelstücklein als Apfel -, mit Zwiebeln oder Speck zur - „Waihe" gebacken
. Das ist etwas ganz Leckeres und wird für „z'Nüni" oder zum Mittagessen
mit einer geschmälzten Kartoff elsuppe verspeist.
Wohl sind die Kochbücher von guten Rezepten voll, aber es sei nochmals gesagt,
daß jeder in den vergangenen Jahrhunderten recht sparsam im Alltag lebte, besonders
auch der Bauer, der ganz auf den Ertrag seines Bodens gestellt war und davon
auch die Ernährung der Mitmenschen abhing. Doch Feste wurden gefeiert wie sie
fielen und nach Vermögen, wenn auch in Kriegszeiten manchmal „nichts da war",
wie oft die Kirchenbücher berichten. Heute werden Familienfeste der Bauern noch
am liebsten daheim gefeiert wie eh und je. Zwar sind die Köchinnen und Köche, die
einst auf die Höfe und in die großen Häuser unserer Städte oft von weit her kamen
und das Festessen bereiteten, selten geworden. Deshalb wird oft eine Frau aus der
Verwandtschaft, die „kochen kann", dazu geholt. Die Bäckerei muß schon vorher
gemacht werden, denn den Festgästen, ob zur Taufe, Konfirmation, Kommunion
oder Hochzeit, mußte stets je ein großes Stück von dreierlei Kuchen und ein Stück
Gugelhupf eingepackt und mit nach Hause gegeben werden, wie die Nachbarn
ebenfalls davon bekamen. So waren zu Hochzeiten, die meistens zwei bis drei Tage
dauerten, manchmal über einhundert Kuchen zu backen nötig. Außerdem wurde
gewöhnlich ein Schwein, ein Kalb oder ein Rind geschlachtet, oder gar alle drei.
Geflügel bot der Hof, wie auch Gemüse, Eier, Butter, Milch und Mehl.
Ein Hochzeitessen von 1896 bestand mittags etwa aus: Nudelsuppe, Rindfleisch
mit Meerrettig und Zwetschgen, Lachs mit holländischer Soße und Salzkartoffeln,
Bratwürste mit Rosenkohl und spanischem Brot, Enten- und Kalbsbraten mit Salat
und Zwetschgenkompott, Kaiserpudding, Torten und Kaffee. Zum Nachtessen:
Gerstensuppe, Hasenragout und Nudeln, Kalbskoteletts mit Erbsen, kalter Kalbsbraten
und Schinken mit Salat, Mandelcreme, Torten und Kaffee. Ein Hochzeitsessen
von 1923: Mittags: Butterklößchensuppe, Rindfleisch mit Beilagen oder Forellen
mit Salzkartoffeln, gespickter Lummel mit verschiedenen Gemüsen, gefüllte
Pastetchen mit Hirn, Brieschen oder Hühnerfleisch, Zickleinbraten mit Salat und
Kompott, Merinken mit Schlagrahm, Torten und Kaffee. Abends: Grünkernsuppe,
Kalbsragout mit aufgezogenen Nudeln, Zunge mit Bohnen, Braten und Schinken
mit Salat und Kompott, Torten und Kaffee. Oft gab es auch Hecht, Reh, Gans,
Bratwürste oder Hasenpfeffer.
Der Einfachheit halber, weil die Hausfrau heute niemand mehr zur Mithilfe
bekommen kann, werden Festlichkeiten der Familien hie und da in Gasthäusern
abgehalten. Hier bemühen sich die Wirtsleute darum, den Gästen das Beste zu bieten
. Aber auch da ist es oft schwer, diese zufrieden zu stellen; denn sind zwanzig
und mehr Gerichte auf der Speisenkarte, so wird nicht selten etwas verlangt, was
nicht „drauf" steht und was der Wirt gerade nicht da hat. So ist es oft auch bei
Metzger und Bäcker. Wie muß sich auch bei Tisch zu Hause eine Frau und Mutter
manchmal über ihren Mann und die Kinder erzürnen, wenn sie auf dem Teller
herumstochern, weil sie „etwas anderes" lieber essen würden. Da kann man dann
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