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leicht gerade deshalb sein Klosterbesitz durch Schenkungen vonseiten der alteingesessenen
alemannischen Bevölkerung sich vermehrt, steigert sich der Unwille
Ruthards gegen Otmar bis zum Haß und Diebstahl. In dieser Lage wendet sich der
Abt schließlich an den König. Da er bei diesem kein Gehör findet, Graf Ruthard
aber fortfährt, das Eigentum der Kirche des hl. Gallus zu schmälern, wiederholt der
Abt seine Schritte in Paris. Daraufhin wird er von dem genannten Grafen festgenommen
und zunächst auf dessen Gut in Bodman, kürzere Zeit darauf auf der
kleinen Insel Werd am Ausfluß des Rheins aus dem Untersee eingekerkert, bis er
an den während der schweren Haft erduldeten Leiden im November 759 stirbt. —
Auch in diesem Falle ist es König Karl, der das unter Pippin geschehene Unrecht
wieder gutmacht, indem er im ersten Jahr seiner Regierung die Leiche Otmars
freigibt und den Mönchen von St. Gallen gestattet, sie in ihrer Klosterkirche beizusetzen
. Im gleichen Jahr wird Ruthard zum letzten Mal in einer Urkunde erwähnt
und zwar als Graf im Argengau15). Südlich davon sind Ruthardbesitzungen
nachgewiesen in Anseifingen (Krs. Konstanz), Zurzach und Eschenz (beide im Kanton
Thurgau). Darüber hinaus weiß die Uberlieferung des Klosters Gengenbach,
wohin er Mönche von Gorze kommen ließ und welches in einem späten Dokument
als „monasterium Chrodhardi" bezeichnet wird, zu berichten, daß innerhalb der
Klostermauern neben seiner zweiten Gemahlin und einem noch unmündigen Sohn
Graf Ruthard seine letzte Ruhestätte gefunden habe. Für sein hohes Ansehen, das
ihm schon zu seinen Lebzeiten wie auch nach seinem Tode von zahlreichen kirchlichen
Stellen entgegengebracht worden ist, sprechen die Bezeichnungen „vir illuster
", „dux" und „administrator Alamanniae", die immer wieder in Aufzeichnungen
seinem Namen beigefügt wurden.
Wohl noch interessanter sind die Tatsachen, welche sich um den in unserem
vorliegenden Kaufbrief als Käufer der Liegenschaften auftretenden Abt Fulrad
und sein berühmtes fränkisches Königskloster St.-Denis ranken.le)
Wie Graf Ruthard gehört auch Abt Fulrad zum engen Kreis der großfränkischen
Reichsaristokratie. Die im Rahmen der weitschauenden Politik Pippins ihm
zugedachte Mission ist die Sicherung und Festigung der Zentralgewalt durch Verbreitung
und Vertiefung christlichen Glaubens und Lebens sowohl in den alten wie
auch in den neuerworbenen Provinzen. Auch seine Heimat ist das austrasische Kerngebiet
an Mosel und Saar. Am Hofe zu Paris ist sein Name längst bekannt, und
das Vertrauen des Königs ihm gegenüber wächst von Jahr zu Jahr. Ins Licht der
Geschichte tritt der Sproß aus vornehmstem Geschlecht am 17. August 750, an
jenem Tag, an dem er erstmals als Leiter der uralten Königsabtei St.-Denis genannt
wird. Sein Wirkungsfeld ist zunächst der Raum um Seine und Loire. Die dort in
den Zeiten der ausgehenden Merowingerherrschaft dem Kloster verloren gegangenen
Ländereien weiß er mit Hilfe seines königlichen Herrn zurückzugewinnen
sowie die Anspruchsrechte auf andere Güter durch neue Verträge zu sichern. Damit
schafft er die Voraussetzungen für die wirtschaftliche und kulturelle Aufwärtsentwicklung
seiner kirchlichen Niederlassung. Dabei ist ihm reichlich Gelegenheit
geboten, neben seiner angeborenen Klugheit und jahrelangen Erfahrung auch seine
vorzügliche Eignung für das diplomatische Feld zu beweisen, auf dem er von nun
an bei außerordentlichen Anlässen in stets sich steigerndem Maße Verwendung
findet. Schon im gleichen Jahr, in welchem er die Leitung der Dionysiusabtei übertragen
bekommt, erscheint er mit Bischof Burchard von Würzburg als Sendbote
am Sitz des Kirchenoberhaupts, um dessen Einwilligung zur Absetzung des letzten
Merowingers und den päpstlichen Segen zur Königserhebung Pippins zu erlangen.
Als Anerkennung dafür überträgt ihm dieser die Leitung der Königlichen Kapella17
), ebenso das Amt des Hofkaplans. Somit vereinigt Fulrad in einer Person
die drei höchsten kirchlichen Würden, die der Frankenkönig zu vergeben in der
Lage ist. Ein Jahr darauf finden wir ihn wieder als Königsbote beim Papst, und
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