http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1963-01/0045
Die Köhlersiedlung auf der Sirnitz
im Spiegel der Kirchenbücher von Badenweiler
von 1650 bis 1850
Von Johannes Helm, Sehringen
Das Alter der Siedlung auf der Sirnitz geht über den Zeitraum, der sich durch
die Kirchenbücher von Badenweiler erfassen läßt, weit hinaus. Die erste Erwähnung
im Jahre 1428 im sogenannten „Waldbrief", einer Urkunde, die sich mit Waldnutzungsrechten
im Räume der Vogtei Badenweiler befaßt, bezeichnet die Bewohner
jener weit in den Wald hinein vorgeschobenen Siedlung als die „Mayer, die
in der Sirnitzen gesessen weren". Die Kirchenbücher von Badenweiler, die mit dem
Taufregister im Jahre 1639, mit dem Sterberegister im Jahre 1661 und dem Heiratsregister
1664 einsetzen, bringen die Bezeichnung „Meier" für einen Sirnitzbewohner
erstmals im Jahre 1679. Von 1730 an ist die Angabe „herrschaftlicher
Meier" häufig zu finden, und schließlich werden von 1783/84 an die Bewohner der
Sirnitz „herrschaftliche Erblehenmeier" genannt. Aus diesen sich ändernden Benennungen
läßt sich ein Wandel in der Stellung der Gutsverwalter zu ihrem Lehensherrn
ablesen: Während ursprünglich nur eine Art Pachtvertrag zwischen den
Meiern und dem Landesherrn bestanden hat, ein Zustand, den man als Temporallehen
bezeichnet, wird vom Jahre 1784 an ein Erblehenvertrag geschlossen. Damit
bleibt der belehnten Familie die Nutzungsberechtigung erhalten, solange leibliche
Nachkommen vorhanden sind und solange die Zahlungsverpflichtungen erfüllt
werden. Es scheint aber aus dieser Umwandlung des Temporallehens in ein Erblehen
nicht so sehr ein soz;ales Wohlwollen des Landesherrn gegenüber seinen Untertanen
zu sprechen als vielmehr der Umstand, daß das Erblehen dem Lehnsherrn
weniger Unkosten verursacht als das Temporallehen. Denn die Erblehenmeier
müssen die Baukosten selbst tragen, während sonst die Landesherrschaft dafür zuständig
ist.
Eine Siedlung auf der Sirnitz, einem dem Ackerbau an sich abholden Gebiet,
muß — vor allem, wenn sie sich durch ihr Abhängigkeitsverhältnis als ein vom
Landesherrn inszeniertes Unternehmen zu erkennen gibt — einen bestimmten
Zweck erfüllt haben. Über ihn erfährt man etwas, wenn man die Berufe ansieht,
die den Sirnitzbewohnern neben der Bezeichnung „Meier" in den Kirchenbüchern
noch gegeben werden. Da tauchen sie als Köhler und Kohlführer auf. Die Lehenbriefe
von 1733 und aus späteren Jahren bestätigen das und verdeutlichen den
Anlaß, warum dem Landesherrn so viel an dieser Siedlung gelegen ist. Da liest
man nämlich, daß die Sirnitzbewohner dreißig bis vierzig Pferde halten müssen,
um die Holzkohle, die im Schwarzwald gebrannt wird, hinunterzubringen zu den
Silberschmelzen in Schweighof bzw. Badenweiler und den Eisenwerken in Oberweiler
und Kandern. Der Bergbau ist es demnach, der diese Siedlung hervorgerufen
hat; denn wenn zunächst auch die Randgebiete des Schwarzwaldes genügt haben
mögen, den Holzkohlenbedarf zu decken, so mag doch später die Notwendigkeit
bestanden haben, die Kohlenmeiler weiter ins Gebirge hinein zu verlegen, dem
Holz gewissermaßen nachzuziehen. Aus den länger werdenden Transportwegen
aber erwächst die Forderung nach Möglichkeiten zum Pferdewechsel. Da der Bergbau
für das Gebiet der Herrschaft Badenweiler bereits im 11. Jahrhundert urkundlich
nachgewiesen werden kann, wird die oben angedeutete Entwicklung etwa in das
12. oder 13., vielleicht auch erst ins 14. Jahrhundert fallen. Der eingangs erwähnte
„Waldbrief" aus dem Jahre 1428 mit der ersten Erwähnung der Sirnitz fixiert die
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