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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
26.1964, Heft 1.1964
Seite: 24
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1964-01/0026
Wissenschaft, die man sich nur von Jugend auf aneignen konnte. In meinem „Sippenbuch
von Kleinkems" habe ich viele Schiffer festgestellt, die bei diesen Fahrten
tödlich verunglückt sind.

Zum Beruf des Schiffmanns gehörte aber noch etwas ganz Schweres. Wenn vom
Unterland schwer beladene Kähne gen Basel fuhren, so bedurften diese der menschlichen
Hilfe. So waren — so stelle ich mir das vor — die ganze Rheinstromstrecke
entlang Posten errichtet, auf denen Männer bereitstanden, welche die Kähne an
starken Seilen stromaufwärts zogen. Als wir im Herbst 1914 nach Nordfrankreich
und Belgien kamen, sahen die meisten von uns zum ersten Mal die Kanäle, die
dort in Fülle vorhanden waren. Rechts und links von diesen Kanälen liefen schmale
Wege, die sog. „Treidelwege". Auf diesen wurden die Schiffe von Pferden gezogen.
So müssen wir uns auch die Tätigkeit der Schiffsmannen vorstellen. Nur war es
nicht ein einzelner Mann, der den Kahn stromaufwärts zog, sondern eine ganze
Gruppe von 8 bis 10 Männern. Der andere Unterschied gegenüber des „Treidelwegs
" in Nordfrankreich und Belgien bestand in der Uferbeschaffenheit des Rheins.
Nehmen wir eine Karte zur Hand, nicht eine moderne, sondern eine, aus der uns
die Uferbeschaffenheit und die sich daraus ergebende Schwierigkeit geradezu in die
Augen springt (die älteste Karte, die auf Anordnung des Großherzogs Leopold im
Jahre 1828 vom Rheinstrom von St. Ludwig bis Lauterberg genau vermessen hergestellt
wurde), dann erkennen wir, wie die Schiffsmänner, wenn sie die Kähne um
Kleinkems und Istein herumgebracht hatten, von großem Glück sprechen konnten.

Wahrlich, es war kein leichtes Los, das die Fischer und Schiffsmannen von Kleinkems
wie in den andern Fischerdörfern allen vor 100 und noch mehr Jahren zu
tragen hatten. Manchmal gerieten sie auch in eine Lage, über die wir heute lachen,
ihnen selbst aber, die das durchzufechten hatten, war es durchaus nicht zum Lachen.

Eine solche Begebenheit beschreibt uns ein Faszikel aus dem Generallandesarchiv
in Karlsruhe. Es geht etwas kraus her in diesen amtlichen Berichten. Wenn man sie
zu Ende gelesen hat, sieht man immer noch nicht klar. Man muß sie einige Male
studieren und sich das Ganze dann durch den Kopf gehen lassen, bis einem alles
klar ist. Die Begebenheit spielt sich also folgendermaßen ab:

An einem strahlend schönen Junimorgen des Jahres 1766 standen am Rheinufer
bei Kleinkems drei Schiffe zur Abfahrt bereit. Botschaft vom Herrn Markgraf war
vor einigen Wochen gekommen, man möchte ihm wieder „Markgräfler" schicken,
wie er im vergangenen Jahre schon gehabt habe. Auch das Quantum war angegeben.
Ja, so viel war in dem kleinen Fischerdörfchen Kleinkems nicht vorhanden. Da
mußte man in der Nachbarschaft Umschau halten. Man brauchte nicht lange suchen.
Man war froh, wenn man den guten Tropfen verkaufen konnte. Drei Schiffe wurden
mit dem kostbaren Naß beladen. Die Fahrt wurde geleitet von drei Klein-
kemsern und einem Schiffer von Efringen. Der Leiter der Fahrt war Lorenz Hügin
mit seinen zwei Landsleuten Hans Martin Grether und Johannes Siegelin. Der
Efringer Schiffsmann hieß Johannes Dösserich. Dazu kamen noch 20 Knechte.
Alles in allem 24 Mann für drei Schiffe, so daß jedes Schiff von 8 Mann bedient
wurde. Wir lachen vielleicht über diese starke Besatzung. Aber bei der damaligen
Beschaffung des Rheinstroms, mit seinen vielen Krümmungen und Biegungen,
mit seinen sichtbaren und unsichtbaren Sand- und Kiesbänken war das durchaus
nicht zu viel. Die Schiffsleute konnten wahrlich nicht von früh bis spät Zego spielen.
Sie mußten vielmehr haarscharf aufpassen, um mit ihren langen Stangen und
und Haken ihre Schiffe akkurat durch das Wasser zu leiten.

Endlich war's soweit. Die Schiffer stießen die Schiffe bis in die Strömung, von
der sie dann stromabwärts getrieben wurden. Ohne besondere Schwierigkeiten ging's
vorwärts. An Rheinweiler vorüber, an Bellingen vorbei. Schon war Neuenburg
in Sicht. Immer weiter. Vorbei am Rheinwald am rechten und am linken Ufer.
In der Ferne wurde schon der Kaiserstuhl sichtbar. Nun mußte bald auch Breisach

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