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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
26.1964, Heft 1.1964
Seite: 32
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anderen Lande ihr besseres Fortkommen zu rinden. Viele Gegenden seien übervölkert
, aber eine große Anzahl Auswanderer werde nicht mehr zurückkehren,
und unter diesen sei eine große Anzahl, die dem Lande gefährlich oder lästig gewesen
sei. Im Jahre 1818 beliefen sich die Kosten für Verpflegung und Unterstützung
der zurückkehrenden Auswanderer auf 2992 Gulden.

Die Werbung für die Auswanderer riß nicht ab. Der Fürst Karl Egon zu Fürstenberg
hatte in Kentucky und Virginien Land gekauft, das er zu billigem Preis
an Auswanderer abgeben wollte; aber in Karlsruhe fand er kein Gehör. Der Graf
Selkirk, der für eine Kolonie an der Hudsonbay Leute suchte, bekam zwar keine
Genehmigung für die Werbung; dagegen legte man ihm die Frage vor, ob er nicht
Zuchthäusler, womöglich umsonst, mitnehmen wolle. Der Agent weigerte sich,
Sträflinge mitzunehmen, ohne zugleich werben zu dürfen. Er war aber bereit, auf
25 freie Auswanderer 5 Sträflinge mitzunehmen. Die Verhandlungen führten zu
keinem Ergebnis.

Es ist nicht möglich, hier die Namen aller Auswanderer zu bringen. Einige
Fälle sollen herausgegriffen werden. 1826 wurde die Auswanderung wieder gestattet,
aber nur für solche, die 200 Gulden Vermögen hatten. 1846 zog eine größere Zahl
von hier fort, darunter der Schlosser Hemberlin. Er war für mundtot erklärt worden
und behauptete, er könne deshalb hier kein selbständiges Handwerk betreiben. Seine
Entmündigung geschah, weil er innerhalb eines halben Jahres 600 Gulden verputzt
hatte. Im selben Jahre verließ der Spitalwart Jakob Friedrich Heß die Heimat mit
seiner Frau und fünf Kindern. Außerdem nahm er die Geschwister Spohn mit. Die
Sophie und den Georg Friedrich Spohn würde die Gemeinde gerne ziehen lassen,
denn sie seien „liederliche, der Trunksucht ergebene Subjekte". Christian, der 46-
jährige, sei nicht vollsinnig und könne nicht für sich selbst sorgen. Heß verpflichtete
sich, ihn gegen 500 Gulden drüben bei sich zu behalten. Ihr elterlich Haus wurde
von Blechner Kaiser gekauft; man glaubte, daß Heß ihn nur deshalb mitnehme, um
sich von seinem Vermögen selbst eine Existenz zu schaffen.

Inzwischen hatte man auch in Karlsruhe eine andere Einstellung zur Frage der
Auswanderung. 1833 schon hatte die Regierung, einem Wunsche des Landtages entsprechend
, in Amerika Konsuln bestellt, die sich der Auswanderer annehmen sollten.
1847 übergab Nebenius dem Staatsministerium eine Denkschrift, in der er etwa
folgendes ausführte: „Wir leiden an Übervölkerung und müssen die Auswanderung
fördern, aber die Auswanderer müssen drüben Deutsche bleiben." Man müsse sie
in Gebiete bringen, wo sie „ihre Sprache und das Gefühl deutscher nationaler Einheit
bewahren und das Bewußtsein ihres Zusammenhanges mit dem Volksstamm
ihrer Väter in sich wach und lebendig erhalten können". 1850 forderte die Regierung
zur Bekanntgabe der Gemeinden auf, welchen durch Auswanderung eines Teils der
Bewohner geholfen werden sollte. Von insgesamt 1779 Gemeinden wurden 351
namhaft gemacht. In den Jahren 1849—1851 wurden mit einem Aufwand von
170 000 Gulden 1788 Personen über das Meer befördert. Auf Einspruch des Finanzministers
unterblieben die Massenunterstützungen, doch wurden von 1850 bis 1855
rund 1500 000 Gulden zur Unterstützung der Auswanderer verausgabt. Man darf
dabei nicht übersehen, daß als Folge dieser Auswanderung nach den Berichten der
einzelnen Ämter die Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln zurückging, daß
der Bettel nachließ und Zwangsversteigerungen seltener wurden, daß aber auch
Verbrechen und Vergehen gegen das Eigentum abnahmen.

Betrachten wir nun wieder einige Einzelschicksale, wie sie uns in den Kanderner
Akten begegnen. Der Silberarbeiter Karl Friedrich Schönfeld konnte bei den schlechten
Zeiten seine neun Kinder nicht durchbringen. 1834 wollte er nach russisch Polen
auswandern, aber seine Schulden waren zu hoch. 1849 bat der 69 jährige von der
Schweiz aus, weil seine Gläubiger drängten, die Gemeinde um Hilfe. Seine Schulden
beliefen sich auf 1500 Gulden, aber sein Haus hatte einen Wert von 2400 Gulden.

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