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winkte, heraufzukommen. Erschrocken meldete er die Erscheinung seinem Kameraden
und dieser dem Steiger. Letzterer, ein gottesfürchtiger Mann, sagte mit
tiefem Ernste: „Dies hat sicher etwas zu bedeuten". Unverzüglich stiegen sie aus
dem Schacht. Kaum war der letzte Mann oben, rumpelte der Schacht mit großem
Getöse zusammen. Der Geistliche war nirgends zu erblicken, und die in der Nähe
arbeitenden Erzknappen, die sie nach diesem frugen, hatten nie einen Pfarrherren
gesehen.
Der Brändlivogt von Istein.
Während der napoleonischen Kriege hatte ab und zu ein Hertinger in Unteritalien
zu kämpfen. Einer mußte nachts einst bei Neapel in der Nähe des Vesuvs
Posten stehen. Als es von den Türmen die Mitternachtsstunde schlug, hörte er
vom Vesuv her eine Donnerstimme rufen „Machet die große Pforte auf, sie
bringen den Brändlivogt von Istein". Der Soldat schrieb dieses merkwürdige Vorkommnis
nach Hause und erhielt darauf die Nachricht, daß der Brändlivogt von
Istein in jener Nacht wirklich gestorben sei. — Prof. Fecht erwähnt in seinem
Geschichtswerk von 1859 über Istein auf S. 352 einen Untervogt Matthis Bränd-
lin. Der Propst Franz von Hertenstein führt in einem im Jahre 1700 gehaltenen
Din^gericht an: „Mitglieder und Teilnehmer des Gerichtes waren als Stabhalter
der Untervogt Matthis Brändlin von Istein usw.". Der obengenannte Vogt dürfte
somit ein Enkel von Matthis Brändlin sein.
Der alte Posthalter Reinau von Kaltenherberge
Die „Chalteherberig" spielte in früheren Zeiten bis zur Eröffnung der Eisenbahn
eine wichtige Rolle als Poststation. Dort fand der Wechsel der Postpferde
statt. Bei schweren Frachten mußte der Posthalter bis 12 Pferde als Vorspann
entsenden, damit die Wagen den steilen Schliengenerberg heraufgeschafft werden
konnten. Posthalter Reinau war ein reicher Mann und in den Kriegsjahren 1792—
1815 der Bankier von Hertingen. Die Sage erzählt, daß der alte Reinau früher
Jude gewesen und sich des Vorteils wegen habe umtaufen lassen. Ein reicher Engländer
, der in der Kaltenherberge habe übernachten müssen, sei dort ermordet
worden, und das Geld sei verschwunden. Nachdem geheimnisvolle Vorboten den
Tod verkündigt hätten, sei Reinau unter großen Ängsten gestorben. Zur Beerdigung
erschien eine Menge Leute aus der näheren und weiteren Umgebung, denn
es hieß damals: „Er isch ebe doch e riche Ma gsi!" Der Schulmeister von Tannenkirch
hatte mit seinen Kindern das Lied „Jesus nimmt die Sünder an!" beendet.
Die Träger wollten nun den Sarg aufheben, doch brachten sie ihn trotz heben
und zerren nicht von der Stelle. Drei Vaterunser halfen ebenfalls nichts. Neuer
Schrecken. Zufällig schaut einer der Träger auf und sieht den Toten „obe zuem
Büschnilade useluege". (Manifestation des Astralleibes.) Die Leute gehen verstört
nach Hause, sich bedeutsame Worte ins Ohr flüsternd. Der junge Reinau aber
sattelt sein bestes Pferd und sprengt im Galopp zur „Schlöferi" Somnambühl
nach Seefelden.
Die Beerdigung findet nun am folgenden Tage statt. Wieder tritt der Tannen-
kircher Schulmeister mit seinen Kindern an, und nun treten vier Müller aus der
Umgegend hervor, ergreifen den Sarg und sprechen im Chor:
„Hoi uf — hoi uf,
's hebe vier Spitzbuebe e Dieb uf!"
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