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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1966-01/0040
Der Bann war gelöst, der Tote konnte fortgetragen werden, und die Beerdigung
ging nun in aller Ordnung vor sich. Als der junge Reinau, von der Beerdigung
heimkommend, die Hinterlassenschaft seines Vaters überprüfte, fand er in dessen
Pult ein schön geschnitztes Kästchen. Dasselbe enthielt ein allerliebstes Kätzchen
aus Silber und ein niedliches Mäuschen aus purem Gold. Beide saßen friedlich
beisammen. Auf einem handgeschriebenen Zettel des Verstorbenen hieß es:

„So wenig das Chätzli das Müsli frißt,
So wenig wird e Jud e Christ!"

Der Süddi-Gcist im Bläsihof.

Beim Schulhaus ging ein unsauberer Geist um in Gestalt einer Mohr mit neun
Jungen. Das Gespenst ist manchem hie und da begegnet. Näheres konnte nie darüber
erfahren werden. Wahrscheinlich hat es der Halter dieses Geistes, welch
letzterer der Nachbarschaft nicht wenig geschadet hat, doch mit der Angst zu
tun bekommen.

Gäulflechten — Zöpfleflechten

Verschiedenenorts, so auch in Hertingen, wurde festgestellt, daß Pferde am
Morgen in Schweiß gebadet waren und an Mähne und Schwanz geflochtene Zöpfe
trugen, die nicht „aufzubringen" gewesen seien. Dies wurde auch von vertrauenswürdigen
Männern bestätigt. Die Tatsache des Zöpfeflechtens konnte nicht von
der Hand gewiesen werden und trotz genauer Beobachtung war kein Anhaltspunkt
zu finden.

Das Traumgesicht in der Silvesternacht 1912.

Ein studierter Herr der Umgebung erblickte im Traum plötzlich eine Gestalt
wie diejenige eines Propheten. Dessen Auge funkelte. Er winkte ihm und sprach:
„Geh' mit, ich will ein Bild Dich schauen lassen!" Die Mitternachtsglocke ertönte,
als die beiden am Gottesacker vorbeiwandelten. Zu den Gräbern hinweisend, rief
der Alte in feierlichem Tone: „Die haben überwunden, preist glücklich sie!" Den
Träumenden überlief es kalt. Der Geist aber nahm ihn an der Hand und eilte
auf die Höhe, wo sich zwei Wege kreuzten, und murmelte geheimnisvolle Worte.
Als schwände Blei aus seinen Gliedern, erfüllte ein anderes Ich den Menschen. Er
schwebte hoch in Lüften in Begleitung des Alten. Wiederum klang's geisterhaft
an sein Ohr: „Geh* mit, ich will Dich etwas schauen lassen. Im fernen Osten sei
das erste Bild. Wir sind zur Stell', sieh hin!" Vor ihm lag eine mit Türmen reiche,
große Stadt. Ein einziges, schauriges Flammenmeer hüllte sie ein. Soldaten eilten
plündernd und fluchend durch die Straßen, voraus ihr Kaiser auf weißem Pferd.
„Es ist der Brand von Moskau", sprach der Begleiter. „Fort, fort, die Stunde eilt!
Du mußt noch andres schauen! Was siehst Du jetzt?" — „O, es ist schrecklich!
Das große Heer zieht sich zurück. Tausende erfrorener, verhungerter Krieger
liegen links und rechts der Straße. Beim Passieren jener Brücke drängt der Feind
nach. Gestoßen, zermalmt vom eigenen Troß stürzen sie zu Scharen kopfüber in
die eisige Flut! Rechts am linken Ufer wehrt sich ein Häuflein Tapferer mit einem
Heldenmut wie einst der Löwe an den Thermophylen!" — »Der Uber gang über
die Beresina" klang dumpf die Stimme des Begleiters. „Und jene dem Tode ge-

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