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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1966-01/0041
weihte Schar, getreu der Ehr' und Pflicht und ihres deutschen Namens, sind Deines
Landes eigene Kinder, 's sind Badener, und der sie führt, der junge, schlanke
Offizier, ein edler Sproß von Zähringen, des Markgrafen junger Sohn Wilhelm,
genannt von Hochberg."

„Gott mein Herr, ich fürchte mich. Hier ist kein irdisch Land, hier haust die
Hölle! Kann der Mensch so wüten gegen sein Geschlecht?! Es fließt das Blut aus
Tausenden von Wunden!" „Wer ist der kleine Mann auf jenem Hügel dort? In
seinem dunklen Auge blitzt unheimliches Feuer. Er sendet unaufhörlich Scharen
in den Tod". Die Antwort: „Dies ist der große Korse, er sinkt, er fällt, er wird
erlöschen — Du sahst die Völkerschlacht bei Leipzig!" „O Mensch, noch viele
Orte solcher Greuel könnt' ich Dich schauen lassen, nicht Zeit noch Raum gebieten
Schranken mir. Ich schau zurück und vor mir liegt die Zukunft wie ein
offen Buch, denn ich bin Geist, ich bin ..."

Wie der Alte sprach, erblickte der Mensch zu dessen Rechten plötzlich ein Weib.
Es war in Stahl gehüllt vom Scheitel bis zur Sohle, und in der Rechten lag ein
blitzend Schwert. Sie musterte den Alten mit stolzem, kaltem Blut und sprach:
„Du hast gerufen mir, was ist denn Dein Begehr?" Da maß der Geist das Weib
und warnend, donnerähnlich klang's aus seinem Mund: „Warum ich Deine Ruhe
störte? Ich kenne Dich, o Weib, Europa nennst Du Dich mit Stolz, das Herz
der Welt — und bist es auch. So höre! Der Ewige gab in seinem Rat Dir langen
Frieden und seine Früchte schwellen Deine üppige Brust, doch Deine Kinder
starren in Waffen. Es neigt die Waage hin und her — ob Frieden oder Krieg —
es steht auf eines Messers Spitze. Was hinket Ihr auf beiden Seiten? Du warst im
Gefolg mit mir — wohl sah ich Dich — und schautest all das Schreckliche, das
dieser neben mir ersah. Ist's so?" Erbleichend sprach das Weib: „Ich sah es alles!
Was meintest Du damit?" — „Was ich meine: Gibt's da ein Zweifeln, Raten??
Wo bleibt da Deine vielgerühmte Wissenschaft, Deine Bildung, Dein Christentum,
Du kluges Weib Europa? Weil Du die Antwort selbst mir nicht sagen magst,
gab ich sie Dir. Ich bin ein Geist von jenem Geist, der ist, der war und der sein
wird bis in Ewigkeit! Mich Alten nennt man die Geschichte. Ich zeige Dir, ver-
künd' es Deinen Kindern, welch Elend bracht' ein Krieg vor 100 Jahren.
Größeres birgt in seinem Schoß, der droht! Der Große Geist, vor dem ich stehe,
läßt Dich, die Du am Abgrund wandelst, hinunterblicken in den Schlund. Noch
ist es Zeit, Du kannst zurück!"

„Gott will den Krieg, wie ein Gewitter, so reinigt er die Luft", sprach dreist
das Weib dazwischen. „So sagt die Welt, so sagen die Gelehrten!" „Gott wollte
Krieg? Er, der jedweden Mord verbot? Allvater wollte Krieg und Blutvergießen?
Nicht er, Ihr seid's, die ihn entzünden, drum müßt Ihr auch die Folgen tragen!
Wer frech das Schicksal fordert in die Schranken, muß tragen auch, was es ihm
beut! Es steht bei Dir, Krieg oder Frieden, wähle! Doch merke wohl, es wird
in ewiger Gerechtigkeit der Herr zermalmen den, der freventlich den Bruder
drängt zum Kampfe. Sag' Deinen Kindern das! Mein Auftrag ist zu Ende. Gelobt
sei der, vor dem ich stehe, der Eine, Wahre, Große Geist, Amen!"

Ein Blitz, ein Donner, der Traum war aus. Dumpf klang vom Turm die alte
Glocke. Die Uhr schlug eins: die erste Stunde im neuen Jahre 1913. Das Traum-
gesicht wies auf den drohenden Weltkrieg 1914/18 hin!

Der Frevler geht um.

Es wird erzählt, daß im Pfarrhaus früher der Geist des Fronvogts Leppert
umgegangen sei. Dieser habe das Zehntwesen im Dorf unter sich gehabt. Er habe

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