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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1966-01/0048
gerade hier die Flurnamen wertvolle Ergebnisse liefern, wie sie sonst kaum
von anderen schriftlichen Quellen zu erwarten sind. Wodurch zeichnen sich nun
diese alten Flurnamenbelege aus? Ihr wichtigster Vorzug ist, daß sie nach den
unmittelbaren Angaben der mundartsprechenden unteren Volksschichten aufgezeichnet
wurden, während andere Sprachdokumente zumeist in der festen Schreibtradition
einer Kanzlei verfaßt wurden und so den Lautstand des betreffenden
Ortes und der betreffenden Zeit kaum wiedergeben. Außerdem bleiben durch
sine sprachliche Neuerung veränderte Flurnamen bei einer späteren sprachlichen
Gegenbewegung oft unverändert zurück, weil ihre undurchsichtig gewordene
Etymologie sie von der neuerlichen Entwicklung ausschließt. Aus diesem Grunde
finden wir gerade unter diesen Namen sehr oft alte Sprachrelikte. So konnte
etwa Bernhard Martin (2) an Hand hessischer Flurnamen alte ss-Relikte im
heutigen ks-Gebiet feststellen (Lautwandel von ks zu ss. Beispiel: Ochse zu Osse).
In Grenzach zeigt der Flurname „Salzlängi" (aus „Salzländi"), daß unser Gebiet
einst nd zu ng gutturalisierte. Bei der späteren Gegenbewegung blieb dann „Salzlängi
" unverändert zurück, weil man sich nicht mehr an seine etymologische
Herkunft erinnerte. Die appellativisch gebrauchten Worte King und Hung wurden
dagegen wieder zu Kind und Hund, da ihre ursprüngliche Bedeutung ja noch
bekannt war.

Voraussetzung für eine solche Auswertung von Flurnamen ist natürlich eine
genaue Kenntnis der sprachlichen Entwicklung des betreffenden Gebietes. Nur
unter dieser Bedingung können die historischen Namenbelege dann als Zeugen
oberrheinischer Sprachbewegungen herangezogen werden. An einigen Beispielen
soll nun aufgezeigt werden, welche weitgehenden und erhellenden Schlüsse man
schon aus einer begrenzten Flurnamensammlung zweier Dörfer ziehen kann.

Im 10. und 11. Jahrhundert begann im Fränkischen die Abschwächung der
vollen Endungen. Diese Sprachbewegung ergriff im 13. Jahrhundert das Elsaß
und breitete sich dann von dort weiter nach Süden aus. Seit der Mitte des 14.
Jahrhunderts treten bei uns Formen wie Bertlikon, Phallinon und Büttikon
nicht mehr auf, sondern ihre Endungen werden zu -en abgeschwächt (Bertliken,
Phallenen, Büttiken). Um jene Zeit hat also der Raum um Basel diese Abschwächung
der vollen Endungen vollzogen.

Im Rebland spricht man noch heute in zahlreichen Ortschaften ng für nd
(King, Hung). Auch im Westen und Süden des deutschen Sprachgebietes besteht
noch ein solches ng-Sprachgebiet. Sonst wird aber östlich von Basel und in der
Stadt selbst nd gesprochen. Mit Hilfe des Riehener Flurnamens „Langoltshalden",
der 1354 noch „Landoltzhalden" hieß, konnte W.Bruckner (3) nachweisen, daß
diese Bewegung einst auch Riehen ergriffen hatte. An Hand von „Salzlängi" und
anderen Belegen darf diese Erscheinung auch für Grenzach beansprucht werden.
Nur in den Flurnamen ist diese ursprüngliche Sprachbewegung sichtbar haften
geblieben, sonst aber wurde sie von einer späteren Gegenbewegung wieder rückgängig
gemacht, die z. B. auch den alten ingen-Namen Gelterkingen bei Liestal
zu dem etymologisch falschen Gelterkinden umgeändert hat. In meinem Flurnamenmaterial
wurde zur Zeit der sprachlichen Gegenbewegung und der dadurch
bedingten Unsicherheit sogar das Wort Beifang mit Beifand wiedergegeben.

Mit Hilfe der Flurnamen können wir auch genau verfolgen, wann in unserer
Gegend die Vokale ö und ü zu e und i entrundet worden sind und in welcher
Zeit eine Gegenbewegung diese Entrundungen wieder rückgängig gemacht hat.

Aus fehlenden historischen Belegen können wir natürlich oft genauso wichtige
Ergebnisse gewinnen. So trat z.B. der Wandel von chs zu ss, eine Nordsüdbewegung
, die im 15. Jahrhundert etwa im Räume von Mülhausen sichtbar wurde,

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