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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1966-01/0070
Robert Minder: „Oberrheinische Dichtung gestern und heute". Verlag C. F. Müller,
Karlsruhe, 1965. 27 Seiten, 4,90 DM.

Die vorliegende Schrift wird sehr verschieden aufgenommen werden.

Wer auf Grund des Titels eine der herkömmlichen biederen Literaturgeschichten für
einen geographisch scharf umrissenen Raum vor sich zu haben meint, wird enttäuscht.
Ebenso der, der mehr oder weniger ausführliche Würdigungen möglichst vieler Dichter
oder gar einzelner ihrer Werke — schön nach der Zeit geordnet — zu finden hofft.

Ganz anders wird es dem gehen, der sich aufgeschlossen der Führung des Verfassers
anvertraut.

R. M. — in der deutschen und der französischen Sprache und in der französischen und
der deutschen Literatur gleich gut bewanderter Elsässer — hat bei der Eröffnung des
Oberrheinischen Dichtermuseums in Karlsruhe (die Schrift bietet eine etwas erweiterte
Fassung der bei dieser Gelegenheit gehaltenen Rede) sein Thema nicht nach landläufiger
literaturhistorischer Methode angefaßt. In dem Bilde, das er von der Oberrheinischen
Dichtung gestern und heute vor uns aufsteigen läßt, tritt die Dimension der Zeit ganz
zurück. Und das Wort „oberrheinisch" verliert bei R. M., der stark von der Universalität
Albert Schweitzers geprägt ist und dem es auf „eine multilaterale, europäische Betrachtung
der Literatur am Oberrhein ankommt" (S. 9 f.), seine ihm sonst sehr oft anhaftende
provinzielle Enge. Der Verfasser versucht, einen „Überblick" (S. 20) zu geben; in diesem
werden geistige Strömungen und Dichter als ihre Exponenten erwähnt, wie der Ablauf
der Gedanken es mit sich bringt. (Daß Hermann Burte — er ist nun einmal trotz seiner
nicht bestrittenen politischen Entgleisungen der bedeutendste alemannische Dichter seit
Hebel — keine Erwähnung findet, muß als objektiver Mangel hervorgehoben werden,
besonders da R. M. selbst unterstreicht, daß kein Werk der „Mode oder Ignoranz" (S. 23)
geopfert werden dürfe. Auffallend ist das Fehlen Burtes auch deswegen, weil der Verfasser
sonst in der ganzen Schrift eine so unparteiische Haltung zeigt, wie sie nur bei
einem Menschen zu finden sein kann, der in zwei Kulturen nicht nur bewandert, sondern
wirklich beheimatet ist. Auch für Hermann Eris Busse hätte sich wohl neben den vielen
anderen ein Platz finden lassen.) Der Leser wird Zeuge eines Selbstgespräches, in dem der
Verfasser sich, ohne scharf zu gliedern, darüber klar wird, was es in der Literatur zu
beiden Seiten des Rheines Gemeinsames, was es Trennendes gegeben hat und gibt und
welche Wechselwirkungen zwischen Literatur und Politik bestanden haben und bestehen.
Daher die vielen Querverbindungen zur Geschichte, die scheinbar den Rahmen des Themas
sprengen. Aber nur scheinbar, denn es ist gerade des Verfassers Anliegen, deutlich werden
zu lassen, wie sehr die „Katastrophenzone Europas" (S. 6) geschaffen ist, Brücke zu werden
zwischen zwei Völkern, zwischen denen mangelndes gegenseitiges Verstehen so oft
Katastrophen heraufgeführt hat, die dann weiteste Kreise zogen. Es wirkt sehr sympathisch
, daß im Zusammenhange mit diesen Gedanken mehr die für uns bestehende Verpflichtung
betont als der heute übliche schönfärbende Optimismus bekundet wird.

Die Vorwürfe „zu weit hergeholt", „unwissenschaftlich", „unakademisch" werden der
Schrift nicht erspart bleiben, Vorwürfe, denen sich ein deutscher Gelehrter bei einer
Museumseröffnung kaum aussetzen würde, mit denen hingegen ein der weltoffeneren
französischen Geistigkeit verbundener gar nicht rechnet. Wir halten es gerade für ein
gutes Vorzeichen für ein Dichtermuseum, wenn bei seiner Eröffnung eine Rede gehalten
wird, die aus dem engen Bezirke der Literaturwissenschaft hinausführt, so wie das Museum
ja hoffentlich auch nicht ein geheiligter Bezirk für Literaturhistoriker, sondern ein Sammelpunkt
Allgemeininteressierter wird und dadurch mit Gegenwart und Welt in Verbindung
steht.

In diesem Sinne wünschen wir den Ausführungen — wie diese ist auch ihre Sprache,
von ganz wenigen Mißgriffen abgesehen, ein sehr lebendiger Beweis für die Urbanität
und Humanität des Verfassers — einen recht großen Kreis aufgeschlossener Leser!

Gerhard Koelbing

Prof. D. Dr. Max Miller (Herausgeber): „Handbuch der historischen Stätten Deutschlands
, Band VI Baden-Württemberg". Alfred Kröner Verlag Stuttgart, 1965. LXIII/
856 S., 9 Karten, 13 Stadtpläne, 9 Stammtafeln. 22,— DM.

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