http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1968-01/0032
leben, zur Erhaltung der Familie war. Zwischen 1690 und 1710 stehen 159 Trauungen
und 440 Todesfällen aber 659 Geburten gegenüber. Die Einwohnerzahl und
ihre altersmäßige Zusammensetzung erfahren wir auch aus einer Statistik, die das
Kirchenbuch aufbewahrt:
1660: 1720:
Ganze Ehen 137 = 274 370
Witwer 3 10
Witwen 21 31
ledige Söhne 27 51
so kommunizieren
ledige Töchter 61 70
Knechte 49 50
Mägde 19 28
Unmündige Kinder 145 162
Katechismuskinder 182 143
Kommunikanten 402_600
insgesamt 1183 1515
Also 1720 sind es 332 Menschen mehr gegenüber 1660. Vergleichen wir dazu
den Zeitraum zwischen 1644 und 1665, so finden wir 124 Trauungen, 310 Todesfälle
, aber 668 Geburten.
Alle diese Zahlen werden aber übertroffen durch die Zuzüge in der jüngsten
Gegenwart. Überall sind Familien zugezogen und haben sich eingebürgert. Nur
die Namen verraten noch die Herkunft aus anderen Gegenden; die meisten Kinder
sprechen alemannisch wie ihre Kameraden. Das ist manchmal bei Schulfesten zu
bemerken. Wir haben hier in Kandern Familien aus allen Gegenden des alten
Reiches, aus Siebenbürgen und vom Schwarzen Meer. Zum Teil Nachkommen
von Leuten, die einst von hier auswanderten nach dem Osten. Es wäre eine reizvolle
Aufgabe, sie zu erfassen und kartografisch darzustellen.
Ich habe vor rund dreißig Jahren dazu einen Versuch unternommen, indem
ich in der Schule die Kinder zusammenstellte nach ihrem Geburtsort, dann nach
dem Geburtsort der Eltern und schließlich der Großeltern. In einer Klasse ergab
sich folgendes: von 44 Schülern, darunter viermal Geschwister, waren von 40
Elternpaaren 10 Väter und 10 Mütter aus Kandern. Von den übrigen Eltern
waren 24 Männer, aber nur 15 Frauen in unserer engeren Heimat zu Hause; alle
andern 6 Männer und 15 Frauen kamen von weiter her. Eine Erhebung in unserer
Schule in diesen Tagen ergab: von 95 Kindern der Oberklassen wohnten 92 in
Kandern; 71 dieser Kinder sind hier geboren. Von den Eltern stammen 32 Väter
und 21 Mütter von hier. Von den Großeltern väterlicherseits sind 28 Väter und
18 Mütter, von den Großeltern mütterlicherseits sind 22 Väter und 17 Mütter
von hier.
Wer genau sein wollte, müßte nun von diesen Eltern und Großeltern die
Namen festhalten und versuchen, festzustellen, welche in die Vergangenheit zurückreichen
. Aber das ist uns heutigen Menschen nicht das Entscheidende. Wichtig
ist, daß alle diejenigen, die das Schicksal in unser Markgräflerland verschlagen
hat, hier eine Heimat finden. Goethe hat einmal geschrieben, daß Heimat nicht
an Bergen und Wäldern hängt. Und Johann Peter Hebel hat in der Erzählung
„Das fremde Kind" das richtige Wort gefunden, wenn er dort schreibt: „Wenn
es wieder bei seinesgleichen ist, hat es keinen Kummer mehr". Das gilt auch für
die Erwachsenen. Wenn sie einen Arbeitsplatz finden und Menschen, mit denen
sie sich verstehen, sind sie bei uns zu Hause.
30
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1968-01/0032