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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
32.1970, Heft 2/3.1970
Seite: 121
(PDF, 15 MB)
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man könnte es jetzt von ihm um 300 fl bekommen, da er Geld bedürftig sey.
„Wenn ich nur mit Geld versehen wäre, aber ich hatte gestern eine bedeutende
Zahlung zu machen, und erhalte erst morgen wieder Geld auf Wechsel, ich würde
sonst dem Polen ohne weiteres das Kreuz abkaufen und eine schöne Summe
profitieren; — wißt Ihr was, Adlerwirth, schießt Ihr das Geld vor, was wir
gewinnen, theilen wir, und das Kreuz bleibt einsweilen als Pfand in euern Händen
". Der Adlerwirth, dem der Mund nach dem Gewinn wässert, denkt,
daß er auf leichte Art wenigstens 100 fl gewinnen könne, verspricht das Geld vorzuschießen
, wenn der Handel zu Stand komme.

Jetzt begiebt sich der Kaufmann wieder in die Stube und trägt den Polen,
was er denn für das Kreuz verlange? „Es ist von einem Goldschmidt für 50
Louisd'or abgeschätzt worden", entgegnete der Pole, „weil ich aber jetzt in der
Noth bin, so will ich es für 40 Louisd'or geben". — „Das ist zu viel", erwiederte
der Kaufmann, „so viel gebe ich nicht, wenn ihr wollt, so will ich es für 300 fl
nehmen". Der Pole will es aber um diese Summe nicht geben und macht schon
Anstalt, es wieder einzupacken und fortzugehen. Jetzt bietet ihm der Kaufmann
30 Louisd'or und sie werden endlich um diesen Preis einig. Der Adlerwirth
hat jetzt schon berechnet, daß sein Antheil am Gewinnst, wenn das Kreuz um
50 Louisd'or verkauft wird, gerade 10 Louisd'ors beträgt, und freut sich darüber,
weßhalb er denn auch gerne seinen Geldsack holt und die 30 Louid'ors vorschießt.

Er zählt dem Stelzfuß 30 Zehn-Guldenstücke hin und den Rest in Silber. Der
Pole schiebt das Geld in seinen Sack und händigt dagegen dem Adlerwirth das
schöne Kreuz ein. Er trinkt hierauf noch ein Schöpplein und geht dann seines
Weges, und der Adlerwirth wünscht ihm Glück zur Reise.

Bald darauf geht auch der Kaufmann wieder in die Stadt, um Geld einzukassieren
, damit er dem Adlerwirth das Kreuz bezahlen kann. Es wird aber
Nacht und der Kaufmann kehrt nicht zurück; er ist auch am anderen Morgen
noch nicht da, und das Mittagessen ist umsonst gerüstet, der Kaufmann kommt
nicht zum Essen. Jetzt geht dem Adlerwirth bald ein Licht auf und glaubt,
daß die Sache nicht mit rechten Dingen zugehet, und so war es auch, denn der
Kaufmann läßt sich nicht mehr sehen, und es weiß Niemand, wo er hingekommen
ist.

Die ganze Geschichte war ein abgekarteter Handel zwischen dem Kaufmann
und dem Stelzfuß. Es waren zwei Spitzbuben, die wußten, daß der Adlerwirth
mit Geld versehen war und versuchten, ihn zu betrügen, was ihnen auch vollkommen
gelang.

Als endlich der Adlerwirth das Kreuz einem Goldschmidt in der Stadt verkaufen
will und frägt, was es werth sey, so lachte der Goldschmidt, und sagt:
„Dergleichen Waare kann ich garnicht brauchen, das Kreuz ist von Semilor und
schwach vergoldet, und die Steine, welche es zieren, sind von geschliffenem Glas.
Das ganze Kreuz ist höchstens 48 kr. werth." Als der Adlerwirth den Goldschmidt
so reden hörte, wird es ihm ganz schwach und seine Beine tragen ihn fast nicht
mehr, er nimmt das Kreuz wieder mit nach Hause, um es als ein Andenken an
den Kaufmann und den polnischen Stelzfuß aufzubewahren.

Soweit diese kleine Gauner-Geschichte, die — warum eigentlich nicht? — von
keinem geringeren als von dem großen Kalendermacher Hebel selbst stammen
könnte! Sicherlich spricht dafür, daß sich die Geschichte ausgerechnet in Segringen
abspielt. Im Schatzkästlein Hebels findet sich das mehrfach; man schlage etwa die
kleinen Geschichten und Anekdoten nach, wie sie da betitelt sind „Der Barbier
von Segringen", „Der Star von Segringen", „Gute Antwort", „Mittel gegen
Zank und Schläge". — Wie kam der Dichter überhaupt auf Segringen? Meinte
er etwa die Ortschaft im Müllheimer Kreis namens Sehringen, der man begegnet,
wandert man von Badenweiler gen Schloß Bürgeln oder umgekehrt? Mitnichten.
Das hier zutreffend genannte Segringen (oder auch Seegringen) liegt im Räume
Dinkelsbühl; der von Hebel gelegentlich erwähnte Adjunkt Kölle, seines Zeichens
württembergischer Gesandtschaftssekretär, der dem Dichter bisweilen Anekdoten

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