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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
32.1970, Heft 2/3.1970
Seite: 153
(PDF, 15 MB)
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mannische bisher verhindert hat: Es werden den Rhein entlang neue nationalsprachliche
Grenzen entstehen, deren psychologische Barrieren vor allem in der Schweiz für den
Grenzbewohner schon heute erkennbar werden. Deshalb ist alles zu begrüßen, was geeignet
ist, dieser Entwicklung entgegenzutreten, alles, was alemannische Sprache in Wort und
Schrift fördert. Hier ist ein Anfang gemacht.

Zunächst sind die methodischen Anleitungen des Schriftführers Gang hervorzuheben,
die plausibel und unentbehrlich sind. Die Regeln zur Schreibung sind sicher notwendig,
wenn auch das Wort .Rec^schreibung nicht verwendet werden sollte. Rechtschreibung ist
ein neuer schriftsprachlicher Begriff, Alt-und Mittelhochdeutsch kennen ihn nicht, und gerade
dort sind die mundartlichen Varianten so reizvoll. Dennoch ist es heute richtig, aus rein
praktischen Gründen Regeln anzuwenden. Das Lesebuch erbringt den Nachweis, daß dies
möglich ist. Daß Ausnahmen erlaubt sind, beweist der Beitrag von A. Bächtold, der
durchaus lesbar ist, die Sprachmelodie wohl besser wiedergibt und z. B. bei der Anlautverhärtung
durch althochdeutsche Parallelen gerechtfertigt wird. Ob einer „und" ein
anderer „una schreibt, bleibt gleich verständlich. Als verbindendes Wort wird es häufig
mit d gesprochen. Es kann ohne zu stören konsequent „und" geschrieben werden. Ein
Beispiel aber für die Richtigkeit einer Ausnahme: S. 109 „und Türe isch wit ufgstande".
Ohne Artikel wäre das unbestimmte Mehrzahl, in der Einzahl müßte es daher heißen
„und d Türe", besser aber „un d Türe". Das gleiche gilt nicht für „sind". Diese Form
stört beim Lesen und Sprechen, vor allem am Satzende. Es sollte konsequent „sin" geschrieben
werden. Ebenso sollte erlaubt sein, bei Schärfung einer Silbe den folgenden
Konsonanten zu verdoppeln, wenn es der Deutlichkeit dient. Z. B. schliefe — gschloffe,
aber schlofe — gschlofe (S. 52 iegschlofe). Richtig ist die Kürzung auch bei Händsche
(und nicht Händscheh) wie Bottsche, Hampfle, Arvle. Zu den Regeln des Alemannischen
gehört auch, daß es die Form „nichts" nicht gibt, die leider allzu häufig verwendet worden
ist.

Zum Inhalt der Beiträge sei angemerkt, daß Großvätererinnerungen recht sind, wenn
sie weniger persönlich als historisch von Interesse sind. Sie erfreuen, wenn sie einen
volkskundlichen oder echten poetischen Gehalt haben. Erinnerungen an Schule und Sol-
dätlispielen sind überflüssig. Mehr zeitnahe Beiträge wären ein Wunsch. Wer schreibt sie?
Was aber ist von folgenden Sätzen zu halten, die wir S. 159 finden müssen: „mir wäre
besigt", „rot, brun und gelb, des wäre dene ihre Farbe", „des war de Turban"? Das ist
nicht mehr alemannisch sondern Mischmasch, Bahnhofsdeutsch. Hier sollte man wissen,
was man will. Beiträge wie dieser, so farbig er ist, sind praktisch nicht geeignet, das Ziel
zu fördern, das Sprachbewußtsein für gute, echte alemannische Sprache zu schärfen. Es
ist unbegreiflich, daß dieser Beitrag in dieser Form angenommen werden konnte. War-
Sager haben in diesem Buch nichts zu suchen. Leider gibt es noch einen solchen Schnitzer
S. 180, wo er immerhin nur einmal vorkommt.

Schriftsprachliche Einflüsse sind immer wieder erkennbar. „Höhe" S. 72 und „hohi"
(S. 113) sind solche Formen. Das gleiche gilt fürs „Pferdeschwänzli" S. 117. Des alemannischen
Bauern Pferde waren Rösser, also besser „Roßschwänzli", „as Zeuge" S. 133
heißt richtig as Züg, mhd geziuge. Neben richtigem Für (Feuer) steht „Feüjerwehr".
Warum müssen eigentlich ausgerechnet in einem alemannichen Buch Fasnachtslieder
Schriftdeutsch sein? Vor allem an Fasnacht sollten sich Witz und Eigenart des Alemannischen
bewähren. Was ist von folgenden Formen S. 118 zu halten: „die Ehre müesse Si
uns atue", „. . . müesse mir esse", „wolle mir lo"? Schriftdeutsch gebildet ist S. 125 „voll-
zschlage", vollzschlah wäre richtig nach mhd slän. Die Flasche heißt Fläsche zu mhd
flesche. Weitere Beispiele sind „Sauerstoff", „auf", „vorbei" wo richtig Surstoff, uf und
verbi stehen müßte. Hier sind sich die Verfasser nicht bewußt, daß das Alemannische
die zweite Lautverschiebung nicht kennt. „Ghorcht" ist ein Zweifelsfall (S. 108). Man
frage sich, was gemeint ist? gfolgt? ufpaßt? glost? glusteret?

Die Frage nach der Echtheit der Sprache einzelner Beiträge entzieht sich, wie Gäng
mit Recht bemerkt, der Beurteilung aus der Ferne. Dennoch stimmt dort etwas nicht, wo
zweierlei Formen durcheinander oder fremde Formen gebraucht werden. Dazu gehört das
fränkisch-schriftdeutsche k dort, wo die Affrikata ch im An- und Inlaut zu Hause und
üblich ist. Beispiele: iechu, zruckchu, übercho und kröche, dann kridebleich, oder chrüz und
uf&rüzt; cheibe, chnuppe, .Kupple, Kchznne hintereinander, Chatz und Kampf usw.
Übrigens: Kaffee schenkt man nicht aus Chrüsli aus sondern aus Channe. Krabbelsack ist
fremd, me chroblet. Im südlichen Markgräflerland, wozu das Wiesental gehört, sagt man
schneidig (für flott, stramm) nicht „schnidig". Die nach mhd zu erwartende Form gilt
nicht für die übertragene Bedeutung, nur noch für die von der Tätigkeit „schneiden" —
schnide unmittelbar abgeleitete Wortfamilie. „E große Pläsir" ist eine falsche Übertragung
von „e große Freud". Richtig „e groß Pläsir" ist Neutrum. Die Stadt Zürich heißt nun

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