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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
33.1971, Heft 3.1971
Seite: 139
(PDF, 13 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1971-03/0033
chens" bei Lipurg (= Lipburg) folgt die topographische Festlegung: Die Erscheinung
war am „Reyenberg" oder „Pfluog" 7), einem Teil des „Blawenbergs" ( =
Blauen) zu beobachten. Ebenso präzise ist die Datierung auf den Sonntag Lätare,
den 9. März 1562. Was war nun an diesem Tag geschehen? So klar die bisherigen
Aussagen des Textes klangen, so vieldeutig ist das, was nachfolgt. Zunächst ist davon
die Rede, daß man „gethön vnd grausam klopffen" gehört habe, danach habe
sich ein Berg aufgetan und man habe den Eindruck gehabt, er stehe in Flammen.
Man könnte also durchaus der Deutung zustimmen, es habe sich um eine Art Eruption
gehandelt. Dafür sprechen noch einige andere Aussagen des Textes: das „ab-
schiessen" und „einfallen" der Flammen, das Herabfallen von Steinen, das Emporsteigen
der Ausbrüche bis zu Kirchturmhöhe, die genaue Schilderung der verschiedenen
Farben, die damit verbunden waren. Andere Tatsachen sprechen jedoch gegen
diese Deutung, und überhaupt müßten wir einen Vulkanausbruch im Schwarzwald
im Jahre 1562 in den Bereich der Utopie verweisen.

Was könnte noch vorgefallen sein? Es fällt auf, daß der Verfasser unseres
Blattes selbst keinen eindeutigen Ausdruck für das Geschehen geprägt hat, sondern
es entweder als „Wunderzaichen" oder noch unbestimmter mit „es" bezeichnet.
Besonderen Eindruck muß auf den Beschauer folgendes Phänomen gemacht haben:
Auf einem ebenen Feld mit Matten, Wiesen und Äckern von dreihundert Juchart8)
Ausdehnung mit wenig Baumwuchs waren plötzlich eine ganze Zahl von Bäumen
anzutreffen, „als ob mans mit fleyß dahin gesetzt het / frey aufrecht / vnd feit
kainer vmb". Weiter heißt es aber, daß eben dieses fruchtbare Feld durch die unerklärliche
Naturerscheinung in eine Wildnis verwandelt worden sei und die Gefahr
langsam aber unaufhaltsam an das Dorf heranrücke. Häuser und Scheuern habe man
bereits räumen müssen. Ein weiteres Vordringen sei bei dem Nachdruck, „den es
hynder jm hat", zu befürchten. Am Sonntag Judica — so schließt der Bericht — habe
„es" nach Auskunft eines „vertrauten Boten" etwa 1000 Schaulustige angelockt und
sei schon am Dorf gewesen. Kein Zweifel also, daß das Markgräflerland im damaligen
Frühjahr seine Sensation hatte, es ist aber immer noch die Frage zu klären,
welcher Art dieses Naturereignis gewesen sein kann. Da ein Vulkanausbruch in
den Bereich der Phantasie zu verweisen ist, müssen wir nach anderen Erklärungsmöglichkeiten
suchen: ein Erdbeben scheidet wohl aus, da es sich nicht über einen
längeren Zeitraum von Lätare bis Judica „beobachten" läßt und kaum eine der im
Druck beschriebenen Folgen zeitigen kann. Ein Waldbrand kommt wohl aufgrund
der Angaben im Blatt ebenfalls nicht in Frage. In Betracht zu ziehen wären ferner
die sog. Erdfälle oder Dolinen, trichterförmige Einsenkungen, die auf den Einsturz
von ausgelaugten unterirdischen Gipslagern oder Juraschichten zurückgehen und
auf der Gemarkung Lipburg sehr häufig sind8). Aber auch solche kleineren Störungen
in der Oberflächenstruktur können wohl kaum zu einer solchen Katastrophe
geführt haben, wie wir sie für das Jahr 1562 ansetzen müssen. Es bleibt eine letzte
Deutungsmöglichkeit, die unter allen die meiste Wahrscheinlichkeit für sich hat.

Lipburg und der höher am Gebirgsrand gelegene Filialort Sehringen liegen am
westlichen Abfall des Hochblauen, der seine dichtbewaldeten Ausläufer fast drohend
über die Giebel der beiden Dörfer vorschiebt, wie es schon in einer alten Beschreibung
des Amtsbezirks Müllheim heißt10). Von diesem Steilabfall des Blauen
könnten damals Teile abgestürzt sein, unter Geräusch- und Rauchentwicklung, die
von einem ängstlichen Gemüt durchaus mit einem Vulkanausbruch in Parallele
gesetzt worden sein könnten. Möglicherweise hat der Bergsturz einen Bergrutsch
ausgelöst, der sich seinerseits drohend auf Lipburg / Sehringen zubewegt haben
könnte. Ein solcher Bergsturz und -rutsch in der fraglichen Gegend am Blauen ist
als Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, zumal das Gebiet im Verlauf der
Hauptverwerfungslinie Schwarzwald / Rheinebene liegt und damit eine gewisse
Unruhe des Bodens gegeben ist. Zwar hat sich in sonstigen historischen Quellen
keinerlei Kunde von einem solchen Ereignis erhalten; dafür bewahrt die mündliche
Volkstradition der Gegend noch einige dunkle Erinnerungen an solche Bergstürze.

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