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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
33.1971, Heft 3.1971
Seite: 158
(PDF, 13 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1971-03/0052
Der alemannische Dichter Hubert Baum

von Dr. Karl Friedrich R i e b e r , Lörrach

Hubert Baum vollendete am 14. April sein fünfundsechzigstes Lebensjahr. Er
wurde geboren in Freiburg; aufgewachsen in Sulzburg im Markgräflerland; Vorfahren
alemannische Bauern, Handwerker und Lehrer; Rotteckoberrealschule in
Freiburg; die Inflation verhindert das Musiklehrerstudium; Kaufmannslehre, zuletzt
Prokurist in Freiburg; frühzeitige Zurruhesetzung ermöglichte freie Schrift-
stellerei.

Hubert Baums erste alemannische Gedichte entstanden im Frühjahr 1944 „aus
der inneren Flucht in die Welt des Geistes", wie er einmal sagte. Schon diese ersten
Gedichte fielen auf. Hermann Burte schrieb darüber: „Baum gelingt es, das Schöne
und Originelle der alemannischen Mundart zu fassen und zu offenbaren . .. eine
an Hebel gemahnende Heiterkeit und Menschlichkeit der Gesinnung leuchtet liebend
aus den Versen hervor ... sie haben Gesicht und Klang eigener Prägung
Das ist aus dem Munde dieses Sprach-Kenners und -Könners wirklich das Höchste,
was man über einen Dichter sagen kann. Es ist auch erstaunlich, weil ja gewisse
Gegensätze die beiden Dichter trennen. Beiden ist unter anderem eine fromme Haltung
eigen. Aber wirkt sie bei Burte glaubhaft, wenn er neben stillen, tiefen Gesängen
„an Gott" problematische, ja direkt blasphemische Töne anschlägt? Burte
beherrscht die Form und besitzt eine starke rhythmische Gestaltungskraft. Dasselbe
mit einem Wort- und Klangreichtum findet sich auch bei Baum, wird von ihm
aber sehr viel strenger und herber gehandhabt und ist bis ins Letzte ab- und ausgewogen
.

Baum geht also von Anfang an eigene Wege, auch wenn er bei Hebel, Burte
und anderen gelernt hat. Er bekennt: „Ein Kunstwerk soll entstehen und getragen
sein von den drei Kräften Gesetz, Glaube und Herz", und er ordnet danach seine
Gedichte in der Form eines Kalenderbuchs, basierend auf der Zahlensymbolik von
7 und 12, unter dem Titel „Johr us Johr ii" (1948 bei Herder). Das Gesetzmäßige,
die formalen Elemente, finden wir hier in fast allen Ausdrucksmöglichkeiten der
Lyrik, von den frühesten deutschen und mittelhochdeutschen Gedichtformen, vom
Stabreim, vom Binnenreim und was auch immer vorkommt, bis zu den fernsten
und fremdesten Gedichtarten selber (Ghasele, alkäische Verse, Distichen usw.), ferner
knappe, gedrängte Kurzverse, den Mittelreim, oder daktylische Verse, die bei
Hebel nicht und bei Burte nur in zwei Gedichten vorkommen. Diese Strenge und
Herbheit ist eine der vielen Seiten, die ich — ich gestehe es offen — hier an einem
unserer Lebenden bewundere. Wie schön sind seine Gedichte, wo das Musikalische,
die Klangmelodie immer wieder auftönt, in einem klingenden Rhythmus, in einem
Hin und Her und Auf und Ab: „Es nieslet lind un Iiis e Rege . . . dur die dürre
Finger bschaut es s Oberot, wie s all ring und ringer nootnoo so vergoht..." Ein
ganz wundervolles Gedicht, vollkommen, intim, gekonnt tief ist das Liebesgedicht
„Zweu", wo sich einzelne Wörter und Wortfolgen wie ein Thema einer Fuge wiederholen
: „Überm Wald stoht der Moo, liebi Seel, weisch es noo? . . . Gheime n
Ort, s duftig Mies (Moos) . . . lind un süeß ... un im Moo, heel im Wald, o dy
gleichigi Gstalt. . . Mies un Gstalt, Mund un Gleich ..."

Baum zeigt als einer der Ersten, daß man auch bei einem alemannischen Gedicht
ganz auf den Reim verzichten kann. Ein Beispiel ist sein Gedicht „Heiligi Muetter-
sproch", das fast ganz nur aus Daktylen und Spondeen besteht. Der Trochäus wird
vermieden, wie es in der älteren griechischen Dichtung zu finden ist. Immer wieder
weist der Dichter aus seinem musikalischen Empfinden heraus auf musikalische
Elemente unserer Sprache hin: „. . . Rhiistroom klingt im Tone länger als ,Rhein-
strom' . . ." und er verweist auf „die schöne Sprachmelodik der alemannischen
Sprache mit ihren leicht hüpfenden Daktylen neben weitgezogenen Silben (Spondeen
) . . usw.

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