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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
34.1972, Heft 1/2.1972
Seite: 50
(PDF, 23 MB)
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mättlein und in der Stockmatten" und Georg Kiefer „sambt Consorten" von
Fischenberg rückte einem ganzen Tälchen zu Leibe.

Wie in alter Zeit war das Plagen und Mühen dasselbe geblieben, Schweiß und
Atzung hatten noch denselben Rhythmus wie einst, Wärme und Kälte dieselben
Eigenschaften wie früher, und doch war die Zeit nicht stehen geblieben. Kaum sah
das letzte Samenkorn seiner Auferstehung entgegen, meldeten sich Kaspar, Melchior
und Balthasar in Form von Pfarrer, Herrschaft und Forstamt und brachten
den Weihrauch: „Ich will", „Ich will au", „Du darfsch nit"! Einer war meist der
Wortführer, zwei sich oft uneinig. Sie traten allerortens in Wald- und Weidstreitigkeiten
des 17. und 18. Jahrhunderts in Erscheinung, je nach Gegebenheit
im Dreiklang, Duett oder Solo. Neuenweg liefert ein brauchbares Beispiel. Man
schrieb das Jahr 1721: „Da die armen Bürger auf abgekohltem Wald Frucht aus-
gesäet erhob Pfarrer Zandt den Anspruch auf den zehnten Teil der Frucht,

der ihm lt. Berain der Burgvogtei Rötteln von 1572 auch zustand. Die Herrschaft,
die von allem Neubruch (d. h. neu gewonnenem oder neu beackertem Land) das
Zehntrecht an sich gezogen hatte, geriet mit den Ansprüchen des geistlichen Herrn
in Konflikt und wollte von diesen Kohlplätzen den Umbruchszehnten. Das Forstamt
, dem die planmäßige Aufforstung am Herzen lag, bestimmte: „Es ist nur erlaubt
, im ersten Jahr Frucht anzusäen, dann muß der Platz wieder zu Wald liegengelassen
werden", und 1721, als sich die Herren um den Zehnten der Kohlplätze
stritten, verbot es bei einem Gulden Strafe pro Sester den Untertanen, „so in einem
alten Schlag in ihrer Fleckenswaldung Frucht aussäen", das „anblümen". Eine
Sternstunde hatten 30 Jahre früher schon die Schopfheimer, als sie 1692 dem Forstmeister
Fr. v. Rippur unter Punkt 6 ihrer Streitschrift klipp und klar schrieben:
„Man ist nicht mehr daran interessiert, die im 30jährigen Krieg verödeten und ver-
hursteten Äcker anzubauen, noch aufzuforsten, von allem will man nur Geld und
Gefälle". (Daß sie es doch taten, geschah wider bessere Einsicht).

Ungeachtet des genannten Dreigestirns wurde das Landschaftsbild im Kleinen
Wiesental im 18. Jahrhundert farbenprächtiger. „Um des lieben Brot willens müssen
wir Bergland zu Matten cultivieren und die Frucht selbst anbauen", so wissen
es die Tegernauer, deren Vogt aktenkundig hinterläßt, daß er zehn Jahre seines
Lebens opferte, „um einige Bergfelder, auf der Oed gelegen, in Cultur zu bringen",
ihm jedoch „mehr Zeitverschwendung wie Nutzen einbrachten" und die Amtspersonen
lt. Augenschein von der ganzen Kultivierung nichts weiter sahen „wie
Löcher und Felsen". Dennoch wissen wir, wie die Bewohner des Tales weder Mühe
noch Entbehrung scheuten, um sich im alten Waldland zu behaupten. In allen Dörfern
sind durch das ganze 18. Jahrhundert „Neubrüche" festgehalten, die in Neuenweg
ab 1722, in der Vogtei Tegernau ab 1767 zehntpflichtig wurden. Karl Friedrich,
mit Sinn und Gespür für den Wert einer „hauseigenen Landwirtschaft" gab mit
Dekret vom 13. August 1790 allen Untertanen des Oberamtes Rötteln, „welche
ihre Bergfelder urbar machen", eine zehnjährige Zehntfreiheit, und für das zweite
Jahrzehnt erließ er den Zehnten zur Hälfte; d.h. alle Neubrüche waren 15 Jahre
steuerfrei und durften rückwirkend berechnet werden.

Trotz Fleiß, Schweiß und Dekret, Bergfelder blieben Bergfelder und konnten
lt. Protokoll „nur alle 8, 10—12 Jahre, je nach Lage und Fruchtbarkeit angesät,
2 Jahre hintereinander, dann wieder brach liegengelassen werden für den Weidgang
." Die zahmen Felder rund um das Dorf lieferten zu keiner Zeit die volle
Frucht für den notwendigen Brotlaib; Schulmeister und Pfarrherren des Kleinen
Wiesentales sangen durch alle Jahrhunderte das Potpourri vom Hungertuch. Ein
Segen für die Landschaft war die Einführung der Kartoffel, sie scheint extra für
diesen Landstrich erfunden worden zu sein, lt. Akte wurde „sie da angebaut, wo
man mit der Haue hinkommt".

Die Erben des 19. Jahrhunderts übernahmen in Ehrfurcht das Vätererbe;
vom ersten Hahnschrei bis zum letzten Sonnenstrahl, der im Schatten des untergehenden
Lichts an den Halden und Waldschneisen mit dem Abendfrieden ver-

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