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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
34.1972, Heft 1/2.1972
Seite: 53
(PDF, 23 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1972-01-02/0055
bezüglich der Besitz- und Rechtsverhältnisse im Rückspiegel der Zeit; für das 14.
Jahrhundert wäre das Patronatsrecht der Markgrafen über die Mutterkirche des
Kleinen Wiesentales belegt.

Der zweckgebundene Sinn der alten Heuzehntfreiheit mag im Laufe der Jahrhunderte
verblaßt sein, dennoch retteten die Bauern des Kleinen Wiesentales dieses
Privileg zäh und verbissen über die Stürme der Zeiten bis in das letzte Jahrhundert
, das durch Erlaß vom 15. November 1833 allmählich, aber sicher, Zehntrecht
und Zehntpflicht aufhob. Während die benachbarten Täler (Weitenau und
Talvogtei Schönau), deren Ahnväter unter denselben Lebensbedingungen den
Wald rodeten, das Recht der Heuzehntfreiheit nicht besaßen, durch Grenz- und
Herrschaftszugehörigkeit von den Klein-Wiesentälern getrennt, 1577 in Schönau
den Heuzehnt in Geld entrichteten und 1620 die Präger dem Amann und Pfarrer
drohten, „wer Matten abzumessen wage, komme nicht mehr von den Matten",
konnten die Wälderbauern des Kleinen Wiesentals gelassen den Temperamentsausbruch
ihrer Nachbarn im Osten verfolgen, denn ihr Vogt in Tegernau hatte
die buchstabenschwere Urkunde von Wilhelm von Hachberg in sicherer Verwahrung
und trug jeweils dafür Sorge, daß dieses alte Privileg nicht verlorenging.

Viele Urkunden wurden ein Opfer der Zeiten; 1525 stürmten die Bauern
Schloß Rötteln (möglicherweise waren auch Vogteileute Tegernaus dabei), erbrachen
das Archiv und verbrannten alles, was verbrennenswert war. Vermutlich
ging bei diesem Freudenfeuer auch „die alte Copia" der Heuzehntfreiheit in Rauch
auf, denn sie war später unauffindbar. — Der 30jährige Krieg, der auch die Bewohner
des Kleinen Wiesentales zur Flucht zwang, setzte auch den roten Hahn
auf die Dächer des Vogteimittelpunktes Tegernau. 1678 wurde Tegernau bis auf
zwei Anwesen von den Franzosen eingeäschert und ausgeplündert. Mochte indessen
alles zu Schutt und Asche werden, der alte Heuzehntfreiheitsbrief wurde von den
Tegernauern im Original gleich den Kronjuwelen der britischen Queen gesichert
und gehütet, kein Stein fiel ihm aus der Krone des alten Zehntrechts. Dafür sorgten
mit Umsicht die Vögte. War ein Landesherr verblichen und übernahm der
Nachfolger die Regierungsgeschäfte, war wieselflink der jeweilige Vogt von Tegernau
zur Stelle und verlangte nach den Buchstaben des Gesetzes die Bestätigung
des alten Privilegs durch den neuen Regenten. Erhob zu irgend einer Zeit die geistliche
oder herrschaftliche Verwaltung eine Forderung, die an dem Tabu der Bergmatten
rüttelte, donnerte der Vogt von Tegernau: „Mir sin heuzehntfrei"! Zeigte
der für die Wälderbauern kostbare Freiheitsbrief Spuren der Vergänglichkeit,
steckte der Vogt von Tegernau die alte Schrift eigenhändig in das Wams und marschierte
gen Rötteln. So erneuerte Landvogt Hans Conrad v. Ulm dem Tegernauer
Vogt Anton Brunner Anno 1585 das alte Privileg mit der Begründung, „daß der
alte Freiheitsbrief an manchen Stellen etwas löchrig sei" und „man ein bis zwey
Worte nicht mehr lesen könne". 127 Jahre später läßt Landvogt von Gemmingen
den alten Brief, der heil den 30jährigen Krieg überstanden hatte und 1712 noch
gut leserlich war, dem um Confirmierung der alten Rechte bittenden Vogt Grether
neu abschreiben, weil er nach Meinung des Landvogts „doch etwas zu lang war",
siegelt und unterschreibt.

Die Erhaltung der Heuzehntfreiheit war für die Geschlechter der vergangenen
Jahrhunderte eine Existenzfrage. Sie konnten sich nur soviel Vieh leisten, wie die
Bergmatten Futter lieferten. Jede Mahd mehr hob die wirtschaftliche Sicherheit,
jede Mahd weniger rüttelte am Existenzminimum. Aus diesem ökonomischen Blickwinkel
erklärt sich der

Kampf um das Heu.

Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts führen die Wälderbauern der 14 Dörfer des
Kleinen Wiesentals erstmals die heiße Fehde um das alte verbriefte Recht. In vorderster
Linie stand Vogt Fritz Grether von Tegernau, der sein ganzes Mannestum
einsetzte und mit alemannischer Zähigkeit das zehntfreie Heu für weitere drei

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