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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
34.1972, Heft 1/2.1972
Seite: 62
(PDF, 23 MB)
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der Privatfehden, das Dorf für Dorf, mit- oder gegeneinander, je nach Gegebenheit
gedämpft oder lichterloh, im Oberland brennen ließ.

Als Dorn in beiden Wälderaugen könnte man die Förster bezeichnen, die gleich
zu Beginn ihres Vorhandenseins die Bauern tränen lassen. Ob Forstmeister, Forstknecht
oder Schütz: sie liefen als personifizierte Sündenböcke für das verlorene
Waldrecht durch die Lebensrhythmen der Waldbauerngenerationen; die Ursachen
für die beidseitigen Sympathiebezeigungen dürften im „Mir lön üs nüt vorschriebe"
und „Ihr hän z bariere" zu suchen sein. Die erste Begegnung im Tegernauer Forst
ließ Künftiges ahnen. Prompt beschwerten sich die Vogteileute 1588 beim Markgrafen
, „daß der Forstknecht wohl einen Tag ansetze zum Bäume und Holz
zeichnen, dieweilen wir aber warten, weil er nicht erscheint, können sich Weib und
Kind daheim vor Frost und Kälte kaum retten". Die frosterstarrenden Lieben
waren sicher eine effektvolle Zugabe der Tegernauer, die grollende Feststellung,
„der Forstknecht verkauft nach eigenem Gutdünken Holz aus der herrschaftlichen
Waldung auf der Sirnitz", beinhaltete den Vorwurf, den 104 Jahre später die
Nachfahren in Schopfheim in Form von „Holzschlaich" erhoben. Der Vogt von
Wieslet meinte im Hinblick auf diesen: „O Jesu, wann alles an Tag kommen sollte,
es würde greulich seyn, man dörfe nicht einmal alles sagen, man ließe einem her-
nachen schwimmen". Mathiß Maurer von Wollbach meinte, „er wisse viel von
Holzbetrug, aber er möge nichts sagen, als bis er gezwungen werde, denn wenn
einer dem Schütz sein Freund nicht ist, kann er nicht leben wegen der Forstfrevel
und Holzzeichnungsgelder". Der Vogt von Schallbach gab zu Protokoll, „wenn
man die Sach examinieren würde, würde man feststellen, daß eine große Quantität
Holz (mehr) weggenommen, als bezahlt worden ist". Der Tegernauer Vogt
hob gleich dem Amtskollegen von Steinen die Hände und rief: „Es ist ein Grauß,
was dem Land vor Kosten gemacht werden, von einem Clafter Buchen- und Eichenholz
muß man den Forstmeister und Schützen zahlen mit 2 Schilling und die Herren
lassen die Summe zusammenkommen, und wann gezahlt werden muß, verlangen
sie eine Zech".

Auch in der folgenden Zeit sind die Streitigkeiten im Tegernauer Forst, der
das gesamte Waldgebiet des Kleinen Wiesentales umfaßte, mannigfaltig: In der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts strich durch die Wälder Forstknecht Kunz. Vom
Pfarrer als „Jäger", vom Oberamt als „schläfriger Mensch" bezeichnet, war seine
grüne Jägerweste im Bezug auf „Holzschlaich" nicht ganz blütenweiß; im Rausche
beschimpfte er Herrschaft und Pfarrer. Der katholische Grünrock und der evangelische
Schwarzrock sahen rot, sobald sie einander begegneten. An einem goldenen
Oktobertag des Jahres 1747 stand ein junges Brautpaar vor dem Tisch des Herrn
und wartete auf den Segen ins Leben. Pfarrer Daur, schon im Begriff, diesen zu
spenden, sah zum Entsetzen die kecken Jägeraugen inmitten der Hochzeitsgesellschaft
; die Predigt unterbrechend, verwies er jenen aus der Kirche. Der Jäger
wich und wankte nicht, und das angehende Ehepaar fiel jäh aus dem siebenten
Himmel des Hoffens und Sehnens, als es die Stimme des Hausherrn vernahm,
„man solle sich einen anderen Pfarrer für die Copulation suchen". Erst als der
Hochzeitsbraten mit dem kehrtmachenden Seelsorger entschwebte, wurde der Jäger
lebendig. Vor der Kirchentür wartend, gab er dem Brautpaar in der Kirche die
Chance der Stunde. Das Nachspiel war teuer. Zwar wurde der Forstknecht entfernt
, doch sieben hungrige Pfarrkinder samt hochschwangerer Pfarrfrau bezahlten
die Zeche mit einer halbjährigen Brotlosigkeit des Ernährers, der wegen des Streites
vom Amt kurzfristig suspendiert wurde.

1786 drehten die Vögte der Dörfer die Rittgeldrechnungen der Oberforstmei-
sterei Kandern verstört in den Händen. Zwischen zwei und sechs Gulden sollten
sie bezahlen für die Besichtigung ihrer Waldungen und Holzschläge. „Do devo
hän mir no nie nüt ghört", war die einhellige Meinung. Als der Einspruch nichts
half, schrieben sie am 13. November dem Markgrafen: „Der Landmann muß in
unserer bergigen Gegend sein Brot mit Mühe erschaffen und kann keine neue

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