Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
34.1972, Heft 1/2.1972
Seite: 69
(PDF, 23 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1972-01-02/0071
Grenzen

Die Gemeinde Häg grenzt im Uhrzeigersinn an die Gemeinden Marnbach,
Ehrsberg, Todtmoos, Gersbach, Riedichen und Alzenbach. Die Grenze zu Marnbach
verläuft im Talgrund schräg durch das Fabrikgebäude der Zell-Schönau AG
(früher Spinnerei Atzenbach), im Osten gegen Todtmoos ist sie zugleich Kreisgrenze
. Eine größere Bedeutung hat die Grenze gegen Gersbach, war sie doch
bis 1806 Landesgrenze zwischen Vorder-Österreich und der Markgrafschaft
Baden-Durlach. Da diese Grenze nach der Reformation (1555) zugleich Konfessionsgrenze
wurde, gibt es auch heute kaum menschlich-verwandtschaftliche
Beziehungen nach Gersbach hinüber, so wenig wie vom großen ins kleine Wiesental
. Bei älteren Menschen ist auch heute noch der Begriff „Altbadisch" gebräuchlich
, wenn er von der Markgrafschaft spricht. Ebenso kann man im kleinen Wiesental
hören: „Jo, i bi au scho im große Wiesetal gsi; i ha emol e Paar Stiere
gehäuft im Katholische äne." Auch sprachlich gibt es hier schroffere Unterschiede
zwischen dem „Alt-" und „Neubadischen" als z.B. zwischen den Orten im großen
Wiesental untereinander, wo die Feinheiten deutlicher abgestuft sind. Allerdings
verwischen heute die Unterschiede mehr und mehr, obwohl natürlich das Alemannische
immer noch zugleich „Amtssprache" zumindest in den Gemeinderatsund
Vereinssitzungen ist. Ja, selbst die Heimatvertriebenen haben sich — soweit
es jüngere Jahrgänge sind — weitgehend „integriert", und nicht selten kann man
von einer jungen Frau hören, wenn man sie nach der Herkunft fragt: „He, ich
bi us Oschtpreuße".

Sonn- und Schattseite

Ein enges Ost—West-Tal bringt es mit sich, daß nicht nur der Untergrund
über die Güte des Stückchens Land entscheidet, das man besitzt. Viel mehr noch
entscheidet darüber die Lage: „ob „sümmerig" oder „berschinig" d.h. nach Süden
oder Norden geneigt, ob „es" dort gut dörrt oder ob man das öhmd schon im
September auf die Sonnenseite tragen muß, um es dürr zu machen. Natürlich gibt
es im Talgrund auch Häuser, die von Allerheiligen bis Lichtmeß keinen Sonnenstrahl
zu sehen bekommen, während man in den Bergdörfern frei in der Sonne
über dem Nebelmeer sitzt. Dafür heulen dann im Winter die Schneestürme ums
Haus, so daß kein Fortkommen ist, während sie unten an den „oberen" Straßen
sitzen. Ja, auf den Höhen gibt es Jahre, die nur in zwei Monaten keinen Schnee
sehen: im Juli und August, während manchmal im Juni der letzte und im September
der erste Schnee etwas liegen bleibt. Trotzdem kann im Sommer die Wärme
so intensiv sein, daß man in 900 m Höhe noch Gurken und Tomaten ziehen kann
und daß unser dorfeigenes Schwimmbädli nach kurzer Zeit auf über 20 Grad erwärmt
ist. Es kommt auch fast jedes Frühjahr vor, daß auf den Sonnseiten schon
die Kirschen und Schlehen blühen, während hoch oben an der Bergweide noch
meterhohe Schneereste von den Wächten liegen. Diese von Natur gegebene Spannung
wird noch verstärkt durch die Probleme im sozialen Bereich, durch das Hin-
und Hergeworfensein zwischen Bauerntum und Fabrik, dem jeder Bewohner mehr
oder weniger ausgesetzt ist. Nicht umsonst nennt man das hintere Wiesental auch
den „Fabrik-Schwarzwald", weil hier — und nicht erst seit gestern — die Kleinbauern
ihren zusätzlichen Verdienst in Schichtarbeit in den Fabriken finden. Es
sind nicht nur wirtschaftliche Gründe allein, welche u. a. die jungen Menschen veranlassen
in die Fabriken zu gehen, sie finden dort eine imponierende Welt der
Betriebsamkeit, im Sommer Schatten, im Winter Wärme, allerdings — und auch
das gehört zu den Polaritäten ihres Lebens — bei einem ohrenbetäubenden Lärm,
der im krassen Gegensatz zu der unendlichen Stille steht, die über ihren heimischen
Fluren liegt. Gerade im Winter hat man nicht ungern die Mühsal des

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