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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
35.1973, Heft 1/2.1973
Seite: 87
(PDF, 22 MB)
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dichterischen Textes gehört ein offensichtlicher Fehler im Rätsel Nr. 53 (411),
der sich aus der Sütterlinschen Ausgabe (dort Nr. 53) in die Altweggsche
(dort Nr. 54) und jetzt in die Zentnersche verschleppt hat: „Mit zwei Silben
tröstet der Gläubiger gerne den Schuldner; jener setzet zum Kreuz oft die
dritte hinzu, und ein Sakrament..." Die Lösung des ersten Verses heißt
„Morgen", die des zweiten und dritten „Stern". Es ist nun im Bereich
finanzieller Verpflichtungen durchaus ungewöhnlich, daß der Gläubiger den
Schuldner auf morgen vertröstet, vielmehr ist es der Schuldner, der den fordernden
Gläubiger mit einer Ausflucht hinhält, worauf dieser laut Vs 2 und 3
„Kreuzsternsakrament" flucht. Vs 1 ist also zu ändern in: „Mit zwei Silben
tröstet den Gläubiger gerne der Schuldner". Zu den inhaltlichen Argumenten
für eine Korrektur kommen sprachliche. Wäre das Subjekt des zweiten Satzes
mit dem des ersten identisch, könnte es kaum mit dem Demonstrativum der
entfernteren Person „jener" eingeführt werden, da eine direkte Anknüpfung
durch Konjunktion und Personalpronomen genügt. Wäre der erste Vers in
der Fassung der bisherigen Herausgeber richtig, müßte der zweite lauten:
„und er setzet zum Kreuz . . . ". Die Änderung des ersten Verses drängt sich
also aus inhaltlichen und sprachlichen Gründen derart zwingend auf, daß ich
sie sogar gegenüber der Handschrift, die ich nicht gesehen habe, durchsetzen
würde.

Alle angeführten Einwände beruhen auf den Ergebnissen einer raschen Ein-
blicknahme in die Ausgabe und nicht eines lückenlosen Vergleichs mit dem Urtext
und früheren Kommentaren. So viel aber haben sie gezeigt, daß Zentners Edition
bei viel Gutem, was sie enthält, die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt hat.

Johann Peter Hebel, Werke. Hrsg. v. Eberhard Meckel. Eingeleitet von Robert
Minder. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1968.

Ein anderes leider trübes Kapitel ist diese „Werk-Ausgabe, die dritte, die . . .
der Herausgeber . . . verantwortlich gefügt hat", und die mit dem Anspruch auftritt
, das Kolumbus-Ei der Hebel-Edition zu sein. Zwar hat auch sie ihr Gutes,
wozu ich den Bildteil und die „Chronik zu Hebels Leben" rechne, während man
schon zu dem Lebensbild sagen muß, daß ein die Zukunft verschleiernd deutender
Orakelstil der Sibylle besser ansteht als einem Literaten, der altbekannte Fakten
nacherzählt. Wie es indessen mit der Verantwortlichkeit dem dichterischen Text
gegenüber bestellt ist, soll der Hrsg. mit eigenen Worten sagen:

Die Ausgabe „ist von der Absicht bestimmt, das auf uns gekommene Erbe des
alemannischen Dichters erneut unter dem Gesichtspunkt des noch unmittelbar Zugänglichen
zu sichern und zu sammeln . . . daß mit mancherlei Gepflogenheiten der
bisherigen Betreuung des Hebelwerks weiter gebrochen werden mußte, rechtfertigt
sich aus dem gesteckten Ziele selbst . . . Aus den Beiträgen, die der Dichter für den
Kalender schrieb, ist das rein erzählerische Gut von dem betrachenden und mehr
beschreibenden getrennt. . . Die Reihenfolge . . . erscheint hier vom Thema oder
dem Tenor der Geschichten bestimmt, während sie sonst meist kunterbunt genug . . .
und ohne rechten Zusammenhang nebeneinander stehen. . . Allzu Zeitbedingtes,
heute nicht mehr Verständliches oder Belangloses, ist in der genauen Prüfung nach
der Richtigkeit und Erlaubtheit solchen Tuns ausgespart. . . Die ,Alemannischen
Gedichte' . . . sind hier zusammengefaßt. Ein Vermischen der kleineren mehr lyrischen
und der großen, mehr epischen Stücke, von Hebel in einem Buche zwar verständlich
, doch kaum sehr sinnvoll durchgeführt, läßt sich im Grund längst nicht
mehr verantworten . . . Auch zeigte sich . . . immer wieder, daß es richtig war, hinsichtlich
der Textgestaltung gelegentlich aus den verschiedenen Fassungen zur gültigen
Vorlage zu wählen, was unterm Maßstab der erhöhten poetischen Wirkung und
Allgemeinverständlichkeit als das Beste erschien . . .* (S. 547ff.)
Ein Kommentar zu diesen Ausführungen dürfte sich erübrigen. Man hat ja
darauf gewartet, daß endlich einer die Sache an die Hand nimmt, der es besser
als Hebel selbst versteht. Solche bearbeitende Editionsweise galt zwar nie als wissenschaftlich
korrekt, war aber vor etwa 50 Jahren nicht unüblich. Anno 68 kann
sie eigentlich nur noch Staunen hervorrufen. Diesem Machwerk vermag denn auch

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