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fangen, machten auch sie schleunigst wieder kehrt, um sich für heute (für mich
wenigstens) nicht mehr sehen zu lassen. Nun ging der Marsch in etwas rascherem
Tempo nach Staufen. Dort wollte man uns einquartiren. Wir protestirten jedoch
dagegen — wir konnten ja zu jedem Augenblick vom Feind überrascht werden —
dessen ungeachtet wurde einquartirt.
Kaum saßen die Leute beim Mittagessen, so wirbelte schon wieder der
Generalmarsch durch die Straßen, und jedes Fähnlein eilte, sich zu sammeln. Dort
wurden ich und mein Nebenmann, Notar Rupp, auch Metzger Bürgin, von unserem
Corps getrennt und unter dem Commando eines gewissen Peters mit etwa
20 Schützen in einem Garten außerhalb der Stadt postirt. Ich stand in der äußersten
Ecke, mein Knecht neben mir. Wir hatten unsere Gewehre auf die etwa
viereinhalb Fuß hohe Gartenmauer gelegt und erwarteten den Feind. An der
Gartenmauer war eine Reblander, daran hin und wieder reife Beeren, von denen
wir zupften. Da kam eine ältere Frau und jammerte: „Jetzt essen mir die Freischärler
meine Trauben." „Aber liebe Frau, wir sind hungrig und durstig, vielleicht
in der nächsten Viertelstunde schon todtgeschossen, da würdet Ihr doch wohl
Eure Trauben alle hergeben, wenn Ihr uns am Leben erhalten könntet." Da blickte
mich die Frau mit großen Augen an, und dann schrie sie laut: „Jesses Maria, esset
sie in Gottesnamen alle!" — Bald darauf kam ein Mann eiligen Laufes und rief
uns zu: „Jetzt nur gut gezielt, sie kommen gleich hinter mir." Es verging wieder
eine Weile, und die Soldaten wollten nicht in Sicht kommen, da zupfte mich mein
Knecht am Ärmel: „Herr, wir wollen doch gehen, die Soldaten verstehen keinen
Spaß, es kann uns das Leben kosten." „Was, Du ein alter Soldat, hast Du Angst?"
„Wir zwei können doch nicht eine ganze Compagnie aufhalten." — Darauf drehte
ich mich um und sah, daß wir zwei noch allein auf dem Posten waren, die anderen
waren alle fort, samt dem Herrn Peters.
Wir hörten nämlich schon seit einiger Zeit Gewehrfeuer, mitunter auch
Kanonenschüsse, aber noch ziemlich entfernt, ganz unten in Staufen. „Unter diesen
Umständen wird es allerdings zweckmäßig sein, uns zurückzuziehen." Das taten
wir auch und gingen durch den Garten zurück in die Stadt. Dort hatten unsere
Leute eine Barrikade errichtet aus Wägen, Schubkarren, Wellen etc. quer über die
Straße und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Man sah ihnen aber den
Schrecken und die Angst an, da dachte ich: ,Die werden sich nicht ernsthaft zur
Wehre setzen; was soll aus der Geschichte noch werden?'
Das Feuer des Feindes kam immer näher, Pelotonfeuer und Rottenfeuer. Das
letztere hatte auch mir etwas Angst in die Knochen gejagt, denn bei diesem heillosen
Geknatter kann ja keine Maus durchkommen, und als ich mich nach dem
Knecht umsah, war er verschwunden.
In diesem Moment kam mein Commandant Peters wieder und rief: „Schütze,
mit uns!" und dann postierte er mich und meinen Freund Bürgin hinter dem
Gasthaus „Zum Kreuz" unter alte Lindenbäume hart am Ufer des Neumagens
mit insgesamt etwa 20 Mann. „Da brennen sie den Kerls mal ordentlich eine,
wenn sie etwa über den Bach nach herüberkommen wollen." Vorläufig war noch
nichts einzubrennen, und man konnte noch ruhig seine Zigarre rauchen. Ein
junger Mann aus Efringen, noch Soldat und im Dienst, war auf kurze Zeit im
Urlaub zu Hause und hatte aus Privatvergnügen den Zug auch mitgemacht. Dieser
durchwatete den Neumagen, der übrigens wenig Wasser enthielt, schlich sich auf
allen Vieren zwischen den Häusern durch, um zu recognosciren, kam aber bald
wieder zurück und meldete: „Dort hinter den Häusern steht etwa ein Bataillon
Infanterie und zwei Geschütze. Die Kanoniere stehen nicht bei den Geschützen
und scheinen noch keine große Lust zu haben, mit ihnen zu handtiren. Der General
Hoffmann hält gerade mit seinen Offizieren Kriegsrath." —
Auf einmal gewahrten wir die Schützen von Lörrach in ihren grünen Federhüten
, springend und von Zeit zu Zeit schießend im Bett des Neumagens. Gleich
darauf ritt Pflüger an der Spitze seiner drei Fähnlein ebenfalls im Bett des Neu-
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