Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
35.1973, Heft 3/4.1973
Seite: 147
(PDF, 22 MB)
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gezogen waren, zwar uniformirt, aber nur mit einem Seitengewehr bewaffnet. Sie
hatten sich in einem Keller versteckt, in demselben Hause wahrscheinlich auch noch
Freischärler, von denen einer einen Schuß abgab. Das war natürlich das Signal,
das Haus zu durchsuchen. Man fand die armen Musikanten, man trieb sie einen
nach dem andern aus dem Keller auf die Straße, dort waren etwa ein Dutzend
Soldaten aufgestellt, die sie niederschossen, so wie sie auf die Straße kamen, gerade
wie man bei einem Treibjagen die Hasen zusammenschießt. Der letzte, ein kräftiger
Bursche, entkam, wie er mir selber erzählte: „Mitten auf der Kellertreppe —
die zwei vorderen Soldaten waren schon oben, die zwei hinteren mir hart auf
der Ferse. Da drehte ich mich rasch um, warf zunächst den hinter mir mit Gewalt
zurück, daß er im Fallen auch den anderen mit hinabriß, dann sprang ich die paar
Tritte die Treppe hinauf, gab dem vor mir stehenden Soldaten einen Stoß, daß
er der Länge nach auf den Boden fiel, und entfloh in einen Seitengang in den Hof.
Eine Holzbeige an der Mauer erkletterte ich rasch und drückte mich an derselben
hinter der Mauer herunter, und so war ich gerettet. Nur mußte ich bis am Abend
in dieser nichts weniger als angenehmen Situation verharren." Die Ermordung
der sieben unbewaffneten Musikanten war eine Schandtat.

Am Nachmittag desselben Tages mußte die ganze Garnison ausrücken ins Münstertal
, es hieß, die Freischaren hätten im Münstertal wieder Posto gefaßt. Während
dieser Zeit verließen alle, die noch versteckt waren, Staufen, und die zurückkehrenden
Soldaten waren allein Herrscher in Staufen. — Dies ist der Ausgang
dieses unglückseligen, kopflosen Putsches.

Ich verabschiedete nun meinen Befreier, nachdem ich ihn reichlich belohnt hatte
für seine Opferwilligkeit. Meinen Stutzer brachte er mir wieder. Dann schlug ich
den Weg nach Norsingen ein, nahm dort ein Fuhrwerk und ließ mich nach Freiburg
führen. Der erste Mensch, dem ich dort begegnete, war der regirende Bürgermeister
, Josef von Rotteck, und die erste Frage war: „Was macht der Gustel,
mein Bruder?" (Prakt. Arzt und mein Nachbar in Kirchen) „Der sitzt daheim und
läßt sich's Wohlsein." „Also er war nicht bei der Staufener Affaire?" „Nein"
„Kommen Sie mit mir und erzählen Sie mir alles, aber nicht hier auf der Straße."
Dabei führte er mich in das Rathaus und dort in das gewölbte Archiv. „Zu was
diese Vorsicht?" fragte ich verwundert. „Die Wände und alles hat Ohren." Nachdem
ich ihm erzählt hatte, was ich wußte, fragte er mich, was ich jetzt anzufangen
gedenke. „Jetzt gehe ich nach Emmendingen zu meinem Freund Höflinger und
dort werde ich weiters beschließen."

Am Bahnhofe saß ich schon im Zuge, als es hieß, sie bringen die Gefangenen
von Staufen! Alles stürzte wieder aus dem Wagen, um die Gefangenen zu sehen.
Da brachten hessische Soldaten sie in zwei langen Reihen je zwei und zwei mit der
linken und der rechten Hand an ein Wagenseil gebunden, herein, wahrscheinlich
um sie nach Rastatt zu transportiren. Zunächst bemerkte ich den Carl Sulzer
von Binzen, der mit trübseligem Blick den Boden betrachtete, weiterhin zwei von
Haltingen, die Brüder Bürgin, die mich sofort bemerkten. Einer sagte zu dem
anderen: „Dort steht ja der Rottra von Kirchen." Darauf richtete ein Soldat
sofort sein Auge auf mich, ich aber drehte mich im selben Augenblick um, suchte
meinen Wagen, stieg ein, und der Zug ging glücklicherweise sofort ab. Wäre der
Zug ohne mich abgefahren, so teilte ich jedenfalls 10 Minuten später das Schicksal
der Gefangenen.

Bei meinem Freund Höflinger war ich nun vorläufig geborgen. Nach längerem
Hin- und Herberaten wurde ich schlüssig, das linke Rheinufer zu gewinnen und
von da nach Basel zu kommen. Es wurde nun noch Kiefer, das nachherige Mitglied
der provisorischen Regirung oder eigentlich der letzte Dictator, zu Rath
gezogen. Der beschloß mich am anderen Morgen nach Weisweil am Rhein zu
bringen, dort mit mir überzusetzen, und auf der anderen Seite von einem ihm
bekannten Schullehrer mir einen französischen Paß zu verschaffen, — auf unserer
Seite konnte ich, ohne angehalten zu werden, nicht nach Hause kommen, und auf

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