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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
35.1973, Heft 3/4.1973
Seite: 148
(PDF, 22 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1973-03-04/0042
der französischen Seite war ähnliches zu erwarten, da eine Menge Freischärler,
namentlich aus der oberen Gegend das französische Ufer zu gewinnen trachten
würde, und man nicht sicher war, ob die französische Regirung uns etwa nicht
interniren wollte.

Noch mußte ich frisches Schuhwerk haben, was in Emmendingen rasch beschafft
wurde. Ich hatte auf dem Marsche zwischen Müllheim und Staufen meine
Stiefel, die mich drückten, abgelegt, und dafür ein paar leichte Bottinen angezogen
und die Stiefel meinem Famulus in seinen Ledersack gesteckt; meine Bottinen
waren in Staufen durch das Hin- und Hermanövrieren im Bachbett des Neumagens
einmal auf dieser, das andere Mal auf jener Seite erstens ganz durchnäßt
und zweitens zerrissen worden, sodaß ich, um als anständiger Mensch zu gelten,
wenigstens ganzes Schuhwerk haben mußte. — Andern Morgens um vier stand
ein Chais'chen parat und Freund Kiefer kam, um mich herüber zu führen und
überhaupt alles Nöthige zu besorgen. Auf der Station Schlettstadt im Elsaß nahm
ich die Eisenbahn und gelangte unangefochten nach St. Ludwig, von dort ging
ich zu Fuß nach Basel. Unterwegs begegnete mir Neef von Rümmingen und war
erstaunt, mich zu sehen: „Wo kommst Du her?" „Von da, wo Du gestern durchgebrannt
bist", war meine karge Antwort. — Ein Maulheld ohnegleichen, hatte
er gleich vielen seiner Sorte beim ersten Schuß in Staufen sich salvirt. Ich beachtete
ihn nicht weiter und ging meiner Wege. Es hat mich später mit ihm versöhnt
, als ich hörte, daß er sich bei seinem Tode — er wurde standrechtlich erschossen
— muthig und männlich benommen habe.

Am St. Johanntor in Basel angelangt, arretirte mich die dortige Schildwache:
„Wo chömmet Ihr her?" „Aus Neudorf." „I glaub es nüt. Ihr syd ä Freischärler.
Es sy da gäng scho ä ganzä Hüffä cho, und die dörfet nüt in d' Stadt." „Das wäre
doch sonderbar, wenn ich nicht in die Stadt dürfte, ich bin ganz aus der Nähe,
aus Kirchen, das ist gegenüber Neudorf, ich habe dort junge Schweine gekauft
und will jetzt wieder nach Haus." „Das chönnt ä jede cho go säge, chennet Ihr
hie jemand?" „Die halbe Stadt." „Ä Namä will ich wissen." Da zog ich meine
Brieftasche hervor, nahm eine Karte heraus und schrieb auf die Rückseite: ,An
Herrn Bürgermeister Stehle in Basel. Bitte, mich aus den Händen Ihrer Sicherheitsorgane
zu befreien."

Nachdem der Stänzler — wie man sie damals hieß — die Karte gelesen,
gab er sie mir zurück und ließ mich laufen. Rasch suchte ich das Bläsitor zu
erreichen, um von da meinen Heimweg zu Fuß zu nehmen.

Bei Wirth Weber am Bläsitor, wo ich rasch einen Schoppen mit auf den Weg
nehmen wollte, begegnete mir Sauvain (der Müller aus Kirchen): „Gott sei es
gedankt, daß ich Dich sehe, wo kommst Du her, und wo willst Du hin?" „Recta
vom Galgen — sagt Schillers Roller in seinen Räubern und will jetzt nach Haus."
„Du bist doch nicht verletzt, nicht verwundet?" „Wie Ihr seht, bin ich gesund
und munter, verletzt ist an mir nichts geworden als mein Rock und meine Stiefel."
„Nach Hause kannst Du nicht, aber ich werde es Deinen Eltern und Deiner
Frau sagen, daß ich Dich gesehen habe, gesund und heil. Ganz Kirchen ist in
Aufruhr wegen Dir, und Deinem Vater haben sie übel mitgespielt. ,Die haben
uns ins Unglück geführt und der Junge, der ist mit der Kasse durchgegangen',
so brüllten die jungen Leute vor Eurem Hause, ,der soll nur wiederkommen!'
Wieder andere behaupteten, daß Du todtgeschossen worden seyst. Alle sind zurück
, nur Du nicht, und Euer Knecht behauptet: Er hätte Dich ermahnt, fortzugehen
, wo man gesehen hätte, daß doch alles verloren sey. Aber Du hättest
Dich geweigert." „Den hätte der Vater sofort zum Teufel jagen sollen, den
Tropf", rief ich empört, „ja durchgebrannt ist er mir beim ersten Schuß, wie
die Kirchener beinahe alle. Das waren die feigsten Menschen, die man sich denken
kann, als wir in Staufen beim Rathause Aufstellung genommen hatten, und ein-
quartirt werden sollten, so weigerte ich mich und ließ Brodt und Wein kommen
für unser Fähnlein, auch Würste, soviel man deren haben konnte. Da fingen die

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