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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
35.1973, Heft 3/4.1973
Seite: 149
(PDF, 22 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1973-03-04/0043
Kerle an zu nennen wie die Weiber. Die Verheirateten waren schon vorher die
meisten durchgebrannt. ,Ihr seid wackere Helden, was habt Ihr denn zu verlieren
, ich habe Weib und Kind zu Haus, aber ich würde mich schämen, zu
weinen.' Aber es bewahrheitete sich die alte Erfahrung: Die Leute können einem
alles vergessen, nur nicht, daß man sie schwach gesehen hat. — Wo soll ich denn
jetzt hingehen?" fragte ich Freund Sauvain. „Gehe ins Neubad zum Jean Muri,
den kennst Du ja, und Deine Frau war ja einmal im Bad dort." Also ging ich
ins Neubad. Großer Jubel als ich ankam. Etwa ein Dutzend, lauter Bekannte,
waren schon seit dem ersten Tage da. Ich war insofern beruhigt, als ich wußte,
daß die daheim über mein Schicksal aufgeklärt waren. Acht Tage später erhielt
ich von meinem Vater einen Brief, der mir anzeigte, daß ich am nächsten Freitag
mit einem Schiffer von Märkt nachmittags zwei Uhr bis nach Märkt fahren
sollte, dort würde er mich am Ufer erwarten. Als wir anlangten, war mein
Vater schon da. Eine badische Schildwache, die am Rhein stand, bewegte sich
abwärts, um uns hinreichend Zeit zu lassen, fortzugehen; eigentlich hätte sie die
Verpflichtung gehabt, mich zu arretiren. Die Schildwache war, wie sich nachher
herausstellte, Steinhauer Ruf von Kirchen.

„Gottlob, daß Du wieder da bist", sagte mein Vater etwas gepreßt zu mir,
und indem ich ihn näher betrachtete, bemerkte ich, daß er in den paar Tagen
bedeutend älter geworden war, und daß ein Zug tiefen Grams sich über sein
Gesicht gelegt hatte. „Wir wollen sehen, wer uns in den Weg tritt, wenn wir
zwei miteinanderkommen. Es hat sich vieles geändert, seit Du fortgegangen bist.
Auch haben wir Einquartirung, und ich glaube, es ist gut, für unsere Sicherheit."

So kamen wir nach Hause und hatten nicht nöthig, unterwegs jemanden
zu grüßen. Und wenn etwa von weitem jemand in Sicht war, so verschwanden
sie zwischen den Häusern, um ja nicht grüßen zu müssen, und dieses Verhältnis
dauerte fort — unser Haus war gemieden. Keiner von Kirchen kam mehr in
unsere Wirtschaft mit Ausnahme des Herrn Sauvain, des Dr. v. Rotteck, des
Apothekers, der Bürgin-Metzgers, Bürgin-Geometers, des Onkels (Bruder von
meinem Vater) und des Unterlehrers, der bei uns in Kost war. Desto freudiger
wurde ich empfangen von der Mutter und von meiner Frau. Auch die Offiziere,
die bei uns in Quartier waren, zeigten sich freundlich. Doch sonst waren wir
von nun an geächtet.

Wie oft war ich durch diese Zustände niedergeschlagen, wie mehr noch bin
ich oft im Zorn und Verachtung aufgelodert über dieses niederträchtige Gebaren
von Menschen, denen ich so viel Gutes getan hatte, von denen ich viele als
aufrichtige Freunde betrachtete, und die sich jetzt als die schlimmsten Denunzianten
erwiesen, so namentlich die beiden Zandt, der Färber Zandt und der
Johann Zandt. Wie erbärmlich benahmen sich andere, die zwar nicht Gegner
von mir waren, aber nicht den Muth hatten, zu mir zu kommen, weil sie sich
dadurch glaubten, verdächtig zu machen bei den Beamten und sich fürchteten
vor dem ganzen Troß des Kirchener Jahnhagels. Ein offener Gegner, das war
der alte Sonnenwirth Bürgin, eine ganz verbissene Familie.

Die Nachwehen

So lebten wir eben zurückgezogen mit unserer Einquartirung, die von nun
an ständig wurde, uns befassend; da erschien eines Morgens, wir waren gerade
am Frühstück, die Eltern, meine Frau und ich, der hier stationirte Gendarm,
der zog ein Schreiben aus der Tasche mit den Worten: „Im Namen des Gesetzes
muß ich Sie, Friedrich Rottra, verhaften und sofort an das Untersuchungsgericht
Lörrach abliefern. Hier der Verhaftungsbefehl, gezeichnet Camil Winter." Der
Vater meinte: „Können Sie denn nicht fahren, oder muß mein Sohn transportirt
werden, wie ein Verbrecher?" „Ihr Sohn kann auch fahren, ich setze mich natür-

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