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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
35.1973, Heft 3/4.1973
Seite: 183
(PDF, 22 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1973-03-04/0077
was der Angeklagte etwa vor dem Mai-Aufstand getan haben möchte, hier nicht
in Betracht kommen könne, weil es nicht Gegenstand der jetzigen Beurteilung
sei, erhob er formelle Anstände über die Stellung Neff's vor das Kriegsgericht.
Daß Baden in Kriegszustand erklärt worden sei, habe man im Lande allbekannter
Umstände wegen nicht sogleich erfahren. Erst gegen Ende Juni, d. h. zu einer
Zeit, als Neff seine politische Tätigkeit schon eingestellt hatte, habe man davon
Kenntnis erhalten. Was wird ihm denn in der Mai-Revolution eigentlich vorgeworfen
? Er habe im Auftrag der revolutionären, damals legitimen Regierung die
deutschen Flüchtlinge zurückgerufen. Auch ohne Neff wären sie, die während des
Hecker- und Struve-Aufstandes 184S die Heimat verlassen mußten, in die Heimat
zurückgekehrt und hätten sich der neuen Regierung zur Verfügung gestellt. Die
Zahl, die Neff selbst geworben habe, sei im Ganzen gesehen gering gewesen. Den
Zug der Flüchtlingskolonne habe Neff allerdings mitgemacht, aber sie sei bis
zum 29. Juni, d. h. bis zur Zeit, wo Neff seine Entlassung als „Kriegskommissär"
erhielt, nicht ins Gefecht gekommen. Diese Vorwürfe können doch kaum für
ein so hartes Urteil ausreichen. Was hat denn einen raschen und erregbaren jungen
Mann wie Neff bei dieser Revolution so ungewöhnlich ergriffen? Der so mächtig
gewordene demokratische Geist, die Streitigkeiten in der deutschen Frage, die
Übelstände im Staat und in der Gesellschaft, die Schwäche der früheren Regierungsgewalt
u.s.f.

Daraufhin stellte der Verteidiger den Antrag, die Sache des Angeklagten vor
die ordentlichen Gerichte zu verweisen oder eventuell ihn straffrei zu sprechen.
In einem letzten Fall soll in Rücksicht der vorhandenen Milderungsgründe wenigstens
nicht das Maximum der Strafe über ihn verhängt werden.

Der Staatsanwalt hatte bereits in seiner Anklagerede die möglichen Einwände
gegen die Kompetenz des Kriegsgerichts erwähnt. Er ging nun nochmals darauf
ein und zeigte zunächst die Unnahbarkeit des aus der Unkenntnis der Verkündigung
des Kriegsgesetzes und der Kriegszustandserklärung geschöpften Grundes.
Solche Unkenntnis widerspreche einmal den hierüber allgemein gültigen Rechtsgrundsätzen
, und überdies sei ja das Bekanntwerden jener Verkündigungen gerade
durch die Revolution und was sie im Geleite hatte, also gerade durch das hochverräterische
Unternehmen behindert worden, welches Neff aufs eifrigste förderte
. Wenn aber ein Teil seiner revolutionären Tätigkeit vor den 19. Juni,
also vor den Tag der Erklärung des Großherzogtums in den Kriegszustand falle,
so gehöre die Beurteilung des Falles dennoch vor dieses Gericht, denn das Gesetz
vom 9. Juni 1849 besage ausdrücklich, daß das standrechtliche Verfahren gegen
diejenigen statthaben solle, welche sich an den hochverräterischen Unternehmen
seit dem 11. Mai beteiligt, sofern sie „zu den Anstiftern gehören oder an der
hochverräterischen Verbindung Teil genommen". Zu dieser Klasse gehöre aber
Neff jedenfalls. Zum Abschluß wiederholte der Ankläger den früher gestellten
Antrag.

Sofort zog sich der Gerichtshof ins Beratungszimmer zurück, und der Angeklagte
wurde abgeführt. Die Beratung dauerte etwa ein Stunde. Als das Richterpersonal
wieder eingetreten war, wurde dem Angeklagten das Urteil durch den
Vorsitzenden, den Königl. Preuß. Major von Gillern verkündigt. Es lautete auf
Tod durch Erschießen und war einstimmig gefaßt worden.

Die Erschießung am 9. August 1849

Nach der Verurteilung wurde Neff „in den Turm" — wie er selbst in seinem
Abschiedsbrief schrieb — geführt, wo man ihm trotz mehrfacher Bitte kein Papier
zum Schreiben gab bis erst spät abends. Mit einem Geistlichen, der ihm als Beistand
geschickt wurde, unterhielt er sich bei einem Glas Wein nicht über religiöse Fragen
sondern nur über den Staat und die Philosophie. Dann schrieb er einen vierseitigen
Abschiedsbrief an seine „liebe, theure Mutter" und tröstete sie mit den Worten,

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