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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
35.1973, Heft 3/4.1973
Seite: 202
(PDF, 22 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1973-03-04/0096
Französische Emigranten im Oberamt Rötteln (1790/91)

Von F. S c h ü 1 i n

Als die Jakobiner mit ihren Revolutionsparolen „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit
" und der Guillotine über die Vogesen ins Elsaß kamen, flüchteten Zehntausende
aus ihrer angestammten Heimat über den Rhein, ins Hanauerland, in
den Breisgau und ins markgräfische Land, in den Schutz und zur Gastfreundschaft
deutscher Grenzlande, in denen später ein französischer Besatzungsgeneral resigniert
feststellte, daß es hierzulande trotz Freiheitsbäumen und revolutionärer Propaganda
„niemals dazukommen werde, eine Revolution zu bewirken". Ende des
Jahres 1790 berichtete der Landschreiber Reinhard aus Lörrach dem Markgrafen
von der Ankunft von etwa 30—40 Fremden in Grenzach, welche vorgaben, aus
Colmar in aller Eile geflohen zu sein, nachdem es dort zu Gewalttätigkeiten gegen
die Stadtobrigkeit gekommen sei. Sie seien großenteils von guter Herkunft und
wollen bis zu ihrer Rückkehr auf eigene Kosten in den Wirtshäusern logieren.
Einige von ihnen suchten später Quartiere in benachbarten vorderösterreichischen
Orten, kamen aber täglich mit ihren Landsleuten in Grenzach zusammen und versorgten
diese mit Pässen und Reisegeld nach Savoyen und Italien. Argwöhnisch
beobachtete das Oberamt das Treiben des wachsenden Flüchtlingsstroms, vermutete
sogar eine Werbung gegenrevolutionärer Truppen. Als Fürsprecher für
die Nothilfe der Emigranten erschien der Graf von Montjoye aus Hirsingen bei
der Lörracher Landvogtei; er logierte mit 2 Söhnen und 3 Töchtern in Basel gegenüber
dem Hotel „Le trois Rois", im Logis des Prinzen von Waldeck, von wo aus
er seine Landsleute anwies, sich in Savoyen zu sammeln, um von dort aus die alte
Regierungsform in Frankreich wieder aufzurichten. Nachdem ihnen dort der König
von Sardinien den Aufenthalt verweigert hatte, kamen sie in kleinen Haufen
wieder zurück, in unsere Grenzorte, nach Istein, Inzlingen, Nollingen, Grenzach,
später auch nach Bamlach, Rheinweiler, Bellingen, Schliengen und Kandern, im
März 1791 auch nach Marzeil, Tegernau und Maulburg, insgesamt gegen 800 Personen
. Beruhigt stellte das Amt deren unmilitärisches Verhalten und das Ausbleiben
von Uniformen, Gewehren und Waffenübungen fest.

Doch nachfolgende Meldungen aus Basel stimmten die Lörracher Amtsleute
wieder bedenklicher. Der „Ehren Vicomte Mirabeau" kam aber höchst persönlich
aus Basel, beruhigte und bedankte sich „sehr höflich" für die wohlwollende Aufnahme
seiner Landsleute. Darüber freute sich besonders der argwöhnische Land-
schreiber Reinhard. Der Vicomte und Prinz Conde logierten mit anderen Aristokraten
incognito in Basel, schnitten ihre Haare kurz und trugen Bürgerkleider.
Die Colmarer Herren sind inzwischen vom Grenzacher „Hörnli" nach Dörnach
weitergezogen. Mit sieben Stiftsdamen kam auch die Familie der Herren von
Reinach mit kleiner Habe nach Arlesheim. Auch der Kommandant von Hüningen
hatte seinen Standort mit ungewissem Ziel verlassen, nachdem er bei der Nationalversammlung
in Paris als Aristokrat und Verräter angeklagt worden ist. Gerüchte
gingen um, welche Unternehmen und Überfälle von revolutionär Gesinnten im
Elsaß auf unsere Flüchtlingsorte ankündigten. Der Efringer Vogt Gräßlin berichtete
in seinem Tagebuch, daß die Elsässer wegen der Aufnahme von 40 Flüchtlingen
in Bellingen unter dem Schutze der Freiherren von Andlau aufgebracht
seien und drohten, das Dorf zu überfallen, anzuzünden, seinen Herrn festzunehmen
und ins Elsaß abzuführen. Dagegen hätten sich aber viele andere Elsässer,
besonders Vorgesetzte aus dem Distrikt Altkirch, für Andlau und Bellingen eingesetzt
und die Gefahr abgewiesen. Auch Kleinkems wurde verdächtigt, sich zusammen
mit Groß-Kembs, Homburg und dem basel-bischöfl. Steinenstadt vereinbart
zu haben, gemeinsam Bellingen zu überfallen und den Grafen ins Elsaß abzuführen
. Nachdem am 13. Februar 1791 die französischen Familien aus Basel
gewiesen worden sind, erfolgte von Freiburg aus auch das Gebot der Räumung
der Flüchtlinge in Bellingen, Bamlach und Rheinweiler. (GLA 120/859; 1790/99).

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