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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
36.1974, Heft 1/2.1974
Seite: 111
(PDF, 24 MB)
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geprägt hat, sind als charakteristische Zeichen die alten großen Höfe und die dem
Klassizismus zuneigenden Bürgerhäuser noch ein Abglanz. Die Kriege und ihre
Folgen, besonders hier in nächster Nähe der Grenze, haben einen Strukturwandel
herbeigeführt, nicht zuletzt auch durch den Zuzug von außen, der vielfach belebend
wirkt. Bis jetzt hat es die Stadt verstanden, in ihrem äußeren Bild das
bisher gewesene Gute, ihren Reiz und ihre Besonderheit ohne großen Bruch in
die neue Zeit überzuleiten. Nun gilt es, das Heimische, das ihr Ureigene, sozusagen
ihre Persönlichkeit, die wir schätzen und die auf Fremde und Gäste so
anziehend wirkt, zu bewahren — nicht museumhaft, aber dem Geiste nach — und
die richtigen Grenzen zu ziehen gegenüber der Macht des Unheimischen, um einen
Ausdruck Martin Heideggers zu gebrauchen.

Dieses Unheimische ist bereits da und dort in das Markgräflerland eingebrochen
und versucht mit dem Schlagwort »Neue Akzente setzen« die Hirne der
Menschen zu betören. Was heißt »Akzente setzen«, wenn durch babylonische
Wohntürme die schöne Silhouette eines alten Landstädtchens verlorengeht oder
durch ein Hochhaus am falschen Platz das Bild eines in Rebberge eingebetteten
Dorfes in seiner wunderbaren Ausgewogenheit zerstört wird. Was heißt »Akzente
setzen«, wenn schöne alte und noch gesunde Bäume, die dem Ort oder der Landschaft
das Gepräge geben, darum bangen müssen, eines Tages der Reißbrettstrategie
von Straßenplanern zum Opfer zu fallen! Wollen wir die Schönheit unseres
Markgräflerlandes erhalten oder sollen wir die »Himmlische Landschaft« der
Gleichmacherei preisgeben, wie wir sie überall vorfinden, wo die Städte, Städtchen
und Dörfer durch diese Gleichmacherei ihr Gesicht verlieren!

Alles für moderne Bauweise und für Akzente, die sehr schön und wirkungsvoll
sein können, aber dazu bedarf es zunächst der Geduld, eines hervorragenden
Könnens und eines guten Gespürs für die Einplanung in Landschaft und Umgebung
, damit das Neue sich mit dem bestehenden Wertvollen verträgt.

Theodor Heuss, der nicht nur der erste Bundespräsident, sondern auch ein großer
Kunstfreund und Kunstkenner gewesen ist, sagt vom Architektonischen, daß
an jedem Bauwerk ein Stück Himmel hänge, das einer Landschaft bestimmter Art
gehöre. Die Betrachtung eines Bauwerks verdichte sich zum Verständnis eines Volkes
, einer Zeit, einer Kultur.

Es will einem vorkommen, als ob ein Virus über das Land ginge, dem bisher
gesunde und standfeste Mannen erliegen, weil sie auch »modern« sein wollen oder
weil das Geld lockt. Der Impfstoff gegen dieses Virus kann nur im heimischen
Bereich gefunden werden, indem wir uns der Werte des Heimischen wieder mehr
bewußt werden. Erst recht in einem Land, das sich der Gastlichkeit offen halten
und ein sogenanntes Fremdenverkehrsland sein will. Die Wohntürme, von welchen
ich gesprochen habe, haben bereits in einem von einem bekannten Münchner Verlag
herausgegebenen neuen Buch über den Schwarzwald ein vernichtendes Urteil erhalten
.

Wir können unser Land nicht attraktiver machen als durch die sorgfältige Bewahrung
seiner Eigenart, was nicht heißen soll, alles beim alten zu lassen.

Der bekannte Verhaltensforscher Konrad Lorenz sagt es in seinem Buch »Die
acht Todsünden der zivilisierten Menschheit« so: »Schönheit der Natur und
Schönheit der menschengeschaffenen kulturellen Umgebung sind offensichtlich
beide nötig, um den Menschen geistig und seelisch gesund zu erhalten. Die totale
Seelenblindheit für alles Schöne, die heute allenthalben so rapide um sich greift,
ist eine Geisteskrankheit, die schon deshalb ernst genommen werden muß, weil sie
mit einer Unempfindlichkeit gegen das ethisch Verwerfliche einhergeht. Bei denen,
die darüber zu entscheiden haben, ob eine Straße, ein Kraftwerk oder eine Fabrik
gebaut wird, wodurch die Schönheit eines ganzen weiten Landstrichs für immer
zerstört wird, spielen ästhetische Erwägungen überhaupt keine Rolle. Vom Gemeindevorsteher
einer kleinen Ortschaft bis zum Wirtschaftsminister eines großen
Staates — so sagt Lorenz — besteht völlige Einheit der Meinung darüber, daß

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