http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1974-03-04/0064
Hier konnten nun die Wanderjahre beginnen, die in weitem Bogen über die
Neue Welt in die alte Heimat nach Kandern zurückführten. 15 Jahre sind dabei
vergangen; keine lange Zeit, wenn man die Erfahrungen dagegen abwägt, die den
Beruf bereicherten und den Horizont erweiterten. Wenn man dann, endlich seßhaft
, wieder mit der Arbeit beginnt, merkt man, daß der Grund, aus dem man
gestaltet, sich ebenso bereichert hat, wie das Leben an Fülle zugenommen hat.
Die Arbeiten können dann wie die lebendige Natur selbst sein, nur daß das individuelle
Leben in seinem ernsten und heiteren Mühen durch die Materie
transparent wird.
In meinem Ofen erreicht die Ware die Schmelztemperatur des Schwarzwaldgranits
. Der Scherben wird dabei hart, glasig, klingend. Die tausenderlei Variationen
der steinig-matten, kristallisierenden oder spiegelnden Glasuren sind für
mich der fortwährende Versuch, den Wirkkräften der Natur nachzuspüren und in
den Arbeiten konkret werden zu lassen. Eine Glasur ist mehr als nur eine Kombination
von Feldspat, Kalk, Quarz und anderen Mineralien. Sie ist ein erdhaftes
Glas, dem das Feuer seinen besonderen und einmaligen Charakter eingeprägt
hat. Auch für die Wechselwirkung von Glasur und Form gibt es keine feste
Regel; einmal ergänzt die Glasur die Form und ein andermal wird eine bestimmte
Glasur nur durch eine besondere Form wirksam. Ein Meisterstück ist aber dann
entstanden, wenn die Glasur auf der Form nicht nur harmonisch ist, sondern
wenn die Sinne allein nicht mehr ausreichen, das Werk zu bestimmen. Den endgültigen
Wert erhält das Stück dann schließlich durch die Zuneigung des Liebhabers
, weil es durch diesen Menschen eine neue Beziehung zu einem Leben gewinnt
. Vielleicht macht die Möglichkeit der besonderen Zuwendung zu einem
Ding die Faszination an diesem Handwerk aus, für den Gestaltenden wie für den
Betrachtenden.
Die Beschäftigung mit der Keramik setzt eine besondere intime Art des Umgangs
mit den Dingen voraus, und es ist sicher nicht nur das gute Lehmvorkommen
, das Kandern zur Hafner- und Keramikerstadt werden ließ, sondern
der gute genius loci wird wohl seinen reichlichen Anteil daran haben.
Hermann Messersdomidt
Wie ich zur Bauerntöpferei fand
Neben meiner Malerei begann ich sehr bald, aus Interesse und Freude, mich
mit Aufbaukeramik zu beschäftigen. Die Töpferlehre, die ich zusätzlich noch
absolvierte, bot mir die Möglichkeit, meine malerischen Fähigkeiten auch in
diesem Bereiche zu verwirklichen. Meine ersten Arbeiten in Engobetechnik (Malhörnchen
) fallen in die Zeit von 1954.
Meine Tätigkeit fand allerdings für einige Jahre einen Unterbruch durch die
Wanderjahre mit meinem Manne, die auch für mich sehr bereichernd waren. Wir
haben uns schließlich in Kandern niedergelassen, in der traditionsreichen Töpferstadt
. Ich mußte jedoch feststellen, daß die Bauerntöpferei mit dem Tod des
letzten Hafners K. Blum völlig auszusterben drohte. Diese schmerzliche Tatsache
gab mir den Anstoß die alte Tradition der schlichten Bauerntöpferei neu zu
beleben, ohne jedoch die langüberlieferten Dekore zu kopieren oder nachzuahmen.
Das Rüstzeug der Zürcher- und Baslermalschulen helfen mir dabei meine originalen
Einfälle direkt, also ohne Entwurf, zu verwirklichen. Trotzdem fühle ich
mich nie der Gefahr ausgesetzt, daß die zur Konzentration zwingende Rundung
eines Tellers oder „Prägelplatte" formal durchbrochen wird. Jede Arbeit ist ein
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