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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 1/2.1976
Seite: 57
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-01-02/0059
f) Dorfgemeinschaftliche Rechtsbindungen; Maßnahmen zu deren Auflösung

Durch die Zwangsmitgliedschaft in der Dorfgenossenschaft war für die bäuerliche
Bevölkerung eine freie Wirtschaftsführung nicht möglich. Drei-Felder-Wirtschaft
und Flurzwang beeinträchtigten eine freie Wirtschaftsplanung **. Jedes
Jahr durfte nur eine bestimmte Fruchtart in einem bestimmten Gewann angebaut
werden. Auch die Verordnungen über die Allmende4* und über Trieb und Tratt,
also die Viehweide, beeinträchtigten die bäuerliche Wirtschaftsführung stark. Es
darf indessen nicht übersehen werden, daß für manche Dorfbewohner das Recht,
auf der Allmendweide Vieh zu halten, die einzige Möglichkeit war, ihren Lebensunterhalt
durch landwirtschaftliches Einkommen zu fristen.

Die Auflösung dieser dorfgenossenschaftlichen Bindungen war für die bäuerliche
Wirtschaftsführung ebenso einschneidend wie die Aufhebung der feudalen
Rechtsverpflichtungen. Die Aufhebung und Verteilung der Allmendweiden war
eng verzahnt mit der Aufhebung des Flurzwanges. Die Bauern brauchten keine
Rücksicht mehr auf dorfgenossenschaftliche Weiderechte in den jährlich wechselnden
Brachzeigen zu nehmen, sie konnten die Brache bebauen. Diese „Gemeinheitsteilungen
" und die Aufhebung des Flurzwanges waren oft verbunden mit einer Neuvermessung
der Fluren und dem Bau neuer Flurwege. Die einzelnen Bauern sollten
bei der Feldbestellung unabhängig von ihren Nachbarn werden. Aufhebung von
Allmendebindungen und von Flurzwang waren also wichtige Voraussetzung
für die freie Planung in der bäuerlichen Wirtschaftsführung.

In Baden wurden 1823 die notwendigen Gesetze für diese Aufhebung genossenschaftlicher
Rechtsbindungen erlassen **.

3. Auswirkungen der Reformen auf die bäuerliche Sozialstruktur

Die genannten Reformen führten teilweise zu einer tiefgreifenden Veränderung
der bäuerlichen Sozialstruktur. Viele Bauern sanken zu reinen Taglöhnern
hinab; vor allem aus folgenden — oft eng ineinander verzahnten — Gründen:

Die Möglichkeit, den Hofbesitz de jure frei zu vererben, führte nicht selten
zu einer schnellen Zersplitterung von Hofgütern; besonders in den Landschaften
wie im Markgräfler Land, wo nicht durch „Anerbensitte" de facto die Bildung von
Kleinstbetrieben verhindert wurde. Als Beispiel für diese enorme Zersplitterung
die Realteilung, die sich noch im 20. Jahrhundert zeigt, kann die Gemeinde
Haagen gelten, wo hauptberufliche Landwirte eine Betriebsfläche von nur 1,48 ha
betrieben 42. Solche Hofzersplitterungen wurden auch gefördert durch die Möglichkeit
, sich an allen Orten frei anzusiedeln und durch die Aufhebung aller Erschwernisse
bei der Eheschließung (z. B. Heiratskonsensen); vor allem aber durch den
enormen Bevölkerungsanstieg im 19. Jahrhundert.

Die Aufhebung der Allmende nahm armen Dorfbewohnern oft die letzte
landwirtschaftliche Existenzmöglichkeit. Sie konnten z. B. ihr weniges Vieh nicht
mehr auf der Allmendweide halten.

Für große Teile der bäuerlichen Bevölkerung brachten die Regulierungsgesetze
der sogenannten „Bauernbefreiung" also einen sozialen Abstieg43; dies weist unmittelbar
auf die Problematik des „ländlichen Pauparismus" um 1850 und auf
die Probleme des Arbeiterreservoirs zu Beginn der Industrialisierung hin **.

4. Neue Agrarivissenschaft und -technik

Auch wenn die Regulierungsgesetze für einen Teil der bäuerlichen Bevölkerung
zu einer sozialen Umstrukturierung führten, sie waren doch wichtigste Voraussetzung
für ein freies Bodennutzungsrecht der Bauern und damit für eine freie
Wirtschaftsführung im Sinne einer neuen Agrarwissenschaft und -technik 45. Reformen
im Bereich des Rechts und neue Erkenntnisse in der Agrarwissenschaft

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