Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 1/2.1976
Seite: 115
(PDF, 32 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-01-02/0117
mülle war, von seinem Mittagssdilöfle aufzuschrecken und durchs Haus zu brüllen:
,Läng mer d Werchtighose — s brennt!!'

Doch zurück zur Landwirtschaft und zurück in den Schwarzwald, wo das erste
Auto in unserem Dorf immerhin erst 50 Jahre später auftauchte als in Mülle.
Versucht man heute mit einem Durchschnittsbürger über Landwirtschaft zu sprechen
, dann wird man an ihm ein Gefühl des Unbehagens entdecken, als ob er
sagen wollte: ach, das ist doch etwas ganz überholtes, altmodisches und dazu noch
schmutziges Geschäft. Er denkt an Defizite, an den Wirrwarr der E.G., an Subventionen
und überhaupt: wozu noch Kühe halten, wo es so viele Büchsenmilch
zu kaufen gibt, wozu Kartoffeln pflanzen, wo man die „pommes-frites" fertig in
jedem Supermarkt haben kann! Aus der fast alles beherrschenden Situation der
nahrungserzeugenden Urkultur ist ein schäbiges, kleines und dazu defizitäres
Etwas geworden, das in einer modernen Industriegesellschaft nicht mehr salonfähig
ist. Das zeigt sich auch zahlenmäßig (obwohl man mit Zahlen recht sparsam umgehen
sollte!) darin, daß der Posten für Lebensmittel in unserem Lebenshaltungsindex
nur noch etwa ein Drittel ausmacht, während er früher unser Hauptanliegen
war. Man kann das besser überschauen, wenn man sich bewußt macht, daß sich
im Laufe dieses Jahrhunderts eine Wandlung in unseren westlichen Staaten vollzogen
hat, wie in keinem Jahrhundert zuvor. Und wir Alten, die so um die Jahrhundertwende
herum oder noch früher geboren sind, haben diese rapide Entwicklung
zum größten Teil miterlebt. Der Bauer alten Stils war noch eingebettet in die
Welt der Schöpfung, mit der er beruflich innigst verbunden war. Doch fühlte er
sich mehr als Handlanger höherer Kräfte, wenn er seinen Acker bestellte, sein Vieh
betreute, sein Heu barg, seinen Wald nutzte. Seine Grundhaltung im täglichen
Leben war eigentlich eine mehr religiöse, denn er sah sich nur als eine Art Hilfsarbeiter
in einem größeren, ja unbegreiflichen Geschehen. Wirtschaftliche Gesichtspunkte
gab es natürlich auch, aber sie waren mehr sekundärer Art, denn der
bäuerliche Betrieb war ja ursprünglich fast autark, da man nicht nur die Nahrung
für die Familie schuf, sondern oft auch die Grundstoffe der Kleidung. Darüber
hinaus hatte man wenig Bedürfnisse. Man lebte ohnehin recht genügsam und für
unsere heutigen Begriffe fast unvorstellbar kärglich. Trotzdem gab es wenig Menschen
, die bei uns damals an Hunger starben, bestimmt weniger als diejenigen,
die heute infolge von Uberernährung bei uns sterben.

Neben diese ursprüngliche, ,heile' Welt trat nun eine zweite von Menschen geschaffene
, denn der Mensch hatte sich weitgehend von der Natur emanzipiert und
wurde selbst zum Schöpfer. Seine Welt ist allerdings abstrakter, unorganischer
Art: es ist die Welt der Technik, des Verkehrs, der Großstädte und damit ihrer
ganzen unbewältigten Folgeerscheinungen, ihrer Versorgung, Entsorgung und ihrer
maßlos wachsenden Defizite und unproduktiven Verwaltungskosten. Es soll dies
jedoch keineswegs im Sinne einer Kritik, sondern lediglich als Feststellung von
Tatsachen gesagt werden. Es ist keine Frage, daß wir uns mit all diesen Dingen
das Leben erleichtert haben, daß wir sorgloser leben können, besonders im Hinblick
auf unsere Sozialgesetzgebung, doch wird die Unvollkommenheit unserer
menschlichen Schöpfung gerade in der Zeit beginnender Krisenjahre recht deutlich,
so gut sie auch konzipiert sein mag.

Auch unsere Landwirtschaft ist von dieser Entwicklung betroffen worden, zwar:
je höher, desto später, aber endlich doch. Man kann zwei Hauptstöße der Technisierung
in die Landwirtschaft hinein konstatieren: der erste erfolgte nach dem
1. Krieg und war ein vorwiegend chemischer, der zweite, nach dem letzten Krieg
war in erster Linie ein mechanischer. Nach dem ersten Krieg waren ja große
Kapazitäten für die Stickstoff-Herstellung frei geworden, da man ja nicht mehr
schießen mußte und die Pulverherstellung zwangsläufig aufhörte. Kunstdünger
war bisher nur wenig in Gebrauch: die Bauern, berufsmäßig konservativ, verlangten
nicht danach, zumal er auch Geld kostete und auch ein berechtigtes Mißtrauen
vorhanden war. Schließlich kam die Sache doch in Gang, aber es sei

115


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-01-02/0117