Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 190
(PDF, 38 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0008
Ein Wort zum Thema

Mit diesem Heft wird endlich ein Vorhaben verwirklicht, das wir seit langem
im Blick haben, einen aktuellen Beitrag zur Kultur unseres Gebiets vorzulegen,
nämlich zu dessen Sprache, der gesprochenen Sprache. Das Verhältnis von Mundart
und Hochdeutsch ist aus dem Gleichgewicht gekommen. Wir möchten darlegen,
was für die Mundart spricht. Damit meinen wir, um dies vorweg zu sagen, keinen
Vorrang sondern die Anerkennung der Gleichberechtigung, wobei der Schriftsprache
als alle Dialekte auch über Staatsgrenzen hinweg verbindendem Verständigungsmittel
selbstverständlich die größere Bedeutung zukommt. Insbesondere
möchten wir Animositäten und auf beiden Seiten manchmal hörbare Überheblichkeit
abbauen helfen. Diesem Bemühen dienen Feststellungen und Meinungen auch
dann, wenn sie unseren Lesern im einen oder anderen Beitrag als neu und ungewohnt
auffallen sollten. Gerade deutlich Angesprochenes möge zum Überlegen
und zur Diskussion anregen.

Was hat uns sonst noch bewogen, dieses Thema aufzugreifen?

Neben dem einfachen Bedürfnis, hier angesichts der ungleichen Machtmittel dem
Schwächeren zu helfen, zunächst die Erfahrung, daß fremde Sprachen heute ein
Recht auf Minderheitenschutz genießen, die eigenen Dialekte, die auch Muttersprache
sind, offenbar nicht. Einige von Journalisten vermutete Motive lehnen
wir für uns ab. Wer in bezug auf das Alemannische von Einfluß der Sprache der
Blumenkinder spricht, von „Blut-und-Boden-Renaissance", der „high snobiety",
vom „Großmütterchentrend", ist nicht im Bilde. Und wer könnte zu dem
irrational-wolkigen Begriff „Seelenlage der Vergangenheit" auch nur einigermaßen
Vernünftiges sagen?

Ganz im Gegenteil, es sind handfestere, prüf bare Dinge, die uns bewegen:
pädagogische Gründe zum Schutz der Kleinsten,

Schutz vor sozialer Mißachtung der Dialekte und ihrer Sprecher, das Prinzip
der „Partizipation, der direkten Demokratie", wie es einmal hieß ::"), und die
Forderung nach tatsächlicher Erhaltung von Selbstbestimmung und Selbstverwaltung
, all diese Forderungen, die in unserer Landschaft historisch begründet
sind.

Auch einen ganz wichtigen politischen Grund gibt es: Das Alemannische hat eine
europäische, politische Aufgabe, verbindende Klammer zwischen 3 Staaten zu sein.
Es wäre verhängnisvoll, entlang des Rheins die Entstehung neuer nationalsprachlicher
, nämlich hochdeutscher Sprachgrenzen zuzulassen.

Es gibt schließlich ebenso gewichtige Gründe sprachlicher Natur: Dialekte erschließen
in einzigartiger Weise den Zugang zu verschiedenen Zweigen der Sprachwissenschaften
: Sprachgeschichte, Morphologie und Semantik der Hochsprachen.

Dialekte legen bloß: Pathos und Phrase, die Lächerlichkeit mancher Werbesprüche
, auch die Routine politischer Cliches, die nur dazu dienen, zu verhüllen,
daß man sich zu nichts verpflichtet und sich selbst alles vorbehält (siehe KKW-
Wyhl). Es ärgert den Dialektsprecher eine Sprache der Massenmedien voll leerer
Sprachhülsen, man hat genug von einer bis zur Unkenntlichkeit und Unverständ-
lichkeit denaturierten sogenannten Hochsprache. Wie oft hört man bei uns Ärger
über die „kunstgewerbliche Preziosität" (zitiert nach Bausinger) der Sprache an
Rundfunk und Fernsehen und über die Tatsache, daß etwa beim Südwestfunk

*) Die in Anführungszeichen zitierten Stellen sind dem „Spiegel"-Bericht „Nu treckt se
de Slips wedder af" über die Wiederkehr der Dialekte entnommen (Nr. 17 vom 19.
April 1976, S. 46 ff.).

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