Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
38.1976, Heft 3/4.1976
Seite: 208
(PDF, 38 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0026
die sich in sehr auffälliger Weise durch eine konsonantische Neuerung von den
übrigen germanischen Stammessprachen abgesetzt hat. Es handelt sich im Grunde
um eine konsequente Weiterführung der in der ersten Lautverschiebung sichtbar
gewordenen Tendenz zur Affrizierung der Verschlußlaute. Die Teilnahme an der
zweiten Lautverschiebung ist jedoch nicht überall im späteren deutschsprachigen
Raum mit gleicher Konsequenz erfolgt, wie die anschließende kleine Wortauswahl
aus verschiedenen alten Vaterunserübersetzungen 15) deutlich macht. Der
kurze Text bietet den Vorteil, daß er in sehr zahlreichen Fassungen überliefert
ist, leider enthält er jedoch nicht sämtliche in Frage stehenden Phänomene der
Lautverschiebung. Es fehlen Belege für die Entwicklung von germanisch Tp]>
[pf/f(:)], was nicht zuletzt auf die Seltenheit des indoeuropäischen Lautes [b] im
Anlaut zurückzuführen ist16), sowie die von [t]>[ts]. Für diese drei Lautverschiebungen
bleibe ich also die Beispiele schuldig. Eine Lücke in einer Spalte bedeutet,
daß die betreffende Fassung hier ein anderes Wort hat. Siehe S. 209:

Noch ein Wort zur phonetischen Transkription. Es kommt mir nur auf die
jeweiligen Konsonanten an, während man über den Wert gewisser Vokale in
guten Treuen verschiedener Meinung sein kann. Ein geschriebenes „e" in unbetonter
Stellung hatte wohl auch schon in den ältesten Zeugnissen den Lautwert [a],
ich habe sie trotzdem als [e] wiedergegeben.

Diese Liste, so unvollständig sie ist, zeigt doch klar, daß die Verschiebung
nirgends so umfassend war wie in den südlichen Stammessprachen, namentlich im
Bairischen und Alemannischen. Sie sind die einzigen, die die [k]>[kx]-Verschiebung
durchgeführt haben, und das Hochalemannische — also das gesamte Schweizerdeutsche
, aber auch noch ein breiter Streifen des rechtsrheinischen Alemannischen
— ist inzwischen noch weitergegangen und hat auch anlautendes [kx] zu [x]
(geschrieben ch) weiterverschoben. Außerdem ist der Wandel von [ß, 6, y] nur im
Bairischen und Alemannischen konsequent durchgeführt, während das Ostfränkische
und das Rheinfränkische nur die [Ö]>[t]-Verschiebung kennen.

Nimmt man in der Tat die Teilnahme an der zweiten Lautverschiebung als
Kriterium für die Hochdeutschheit einer Sprache, wird man nicht umhin können,
das Altalemannische und das Altbairische als die „hochdeutschesten" Sprachen zu
bezeichnen ,9) — schon Jacob Grimm hatte sie „strengalthochdeutsch" genannt.
Etwas weniger weit ging das Ostfränkische, das später die konsonantische Grundlage
für die heutige Schriftsprache abgegeben hat, noch weniger weit gingen die
übrigen fränkischen Regionalidiome, und überhaupt keinen Anteil haben das
Niederfränkische und das Niedersächsische, also das heutige niederländische und
niederdeutsche Gebiet, sowie die übrigen germanischen Sprachen.

Nun könnte man einwenden, das sei ein Streit um Worte und jeder wisse, daß
die althochdeutsche Zeit eine Zeit der Dialekte gewesen sei, es erübrige sich also,
davon zu reden. Es geht aber in der Tat um mehr, nämlich um methodische
Sauberkeit und genaue Scheidung dessen, was nicht unbesehen in einen Topf geworfen
werden sollte, sowie um die Vermeidung falscher Assoziationen. Denn es
ist vor allem auch der Terminus „Althochdeutsch", der suggeriert, daß die
verschiedenen Stammessprachen nur Abarten eines idealen „Althochdeutschen",
der Vorläuferin unserer neuhochdeutschen Sprache, gewesen seien, was keinesfalls
stimmt.

Aber auch die umgekehrte Annahme, daß das Neuhochdeutsche aus dem Althochdeutschen
hervorgegangen sei, stimmt nicht. Und damit kämen wir zur
dritten Bedeutung des Wortes „Hochdeutsch": zur modernen Schrift- und Umgangssprache
. Diese Sprache, die nun in weiten Gebieten des deutschen Sprachraums
zur vorherrschenden geworden ist, hat verschiedene Wurzeln. Der Konsonantismus
geht freilich, wie oben gezeigt wurde, auf das Ostfränkische zurück, im Vokalismus
machen sich jedoch Einflüsse des Bairischen (Diphthongierung) und des Rheinfränkischen
(Monophthongierung) bemerkbar, während die verbindliche Aussprache
seit Theodor Siebs, dem Regler der deutschen Bühnensprache, im allgemeinen
den niederdeutschen Gepflogenheiten folgt. Das heutige Hochdeutsch ist

208


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1976-03-04/0026